31.05.2022 - Total Thrash-The Teutonic Story - FILMPREMIERE - Lichtburg Essen
Review

31.05.2022 - Total Thrash-The Teutonic Story - FILMPREMIERE - Lichtburg Essen

Am Dienstag, den 31.05., fand im Herzen des Ruhrgebiets eine besondere Premiere statt: In der Lichtburg Essen sammelten sich zahlreiche Musiker und Thrash Metal-Fans auf dem roten Teppich, um die Uraufführung der Dokumentation Total Thrash - The Teutonic Story mitzuerleben, einem Film von Fans für Fans.

  • von Haimaxia
  • 01.06.2022

Regisseur Daniel Hofmann (im Vorfeld haben wir auch ein gemeinsames Interview geführt) hat in den vergangenen 3 Jahren ein Projekt auf die Beine gestellt, welches die deutsche Geschichte des Thrash Metal-Genres beleuchtet - dabei nimmt er seine Zuschauer mit in die 80er Jahre und zeigt die Entstehung der Metal-Spielart, dessen Evolution und auch dessen heutigen Status Quo - man soll nämlich nicht meinen, dass die "teutonische Story" des Thrash Metal nach den glorreichen 80er Jahren vorbei wäre oder dass man sich nur auf altes Archivmaterial freuen dürfte. Man liefert das Bild einer Generation, die Zuflucht fand in rasanter Musik, mal politischer, mal sozialkritischer Couleur, porträtiert die Anfänge des Genres, ohne dabei Hürden und Durststrecken auszulassen und ohne dass dabei eine Portion Selbstironie auf der Strecke bliebe. Und das ist allen Beteiligten der Entstehung des Dokumentar-Werks mehr als gelungen. 

Das edle Kino füllte sich im Vorfeld zur Premiere nach und nach mit Freunden der Musik, aber auch der musikalischen Prominenz der Szene, sowie vielen Protagonisten, welche auch im Film zu Wort kommen. So waren etwa Sodom aus Gelsenkirchen um Tom Angelripper anwesend, aber auch Teile anderer Veteranen-Bands wie Darkness oder Exumer, genau wie jüngerer Thrash Metal-Combos. Auch Holy Moses waren am Start und Sabina Classen wurde auch als eine der wenigen Damen des Genres vor die Kamera gebeten. Eines kann man nämlich direkt vorwegnehmen: Hofmann hat es geschafft, nicht nur in Kommentaren, Einspielern und Statements die Story der Musiker zu erzählen, sondern lässt auch zahlreiche andere Personalia zu Wort kommen: Plattenhändler, Label-Chefs, Roadies, ausgewählte Charaktere und Fans aus Heavy Metal Fan Clubs und sogar Verantwortliche von Berlin Rock Coaches, welche Tourbusse und Nightliner bereitstellen. So wird schnell klar: Das ist keine normale Dokumentation, das ist kein Versuch von Feuilletonisten die Taschenlampe halbherzig auf ein Musik-Genre zu richten - ganz im Gegenteil, ist Hofmann -selbst statt im Anzug in Metalkutte und T-Shirt zugegen- doch ein ziemlicher Szene-Kenner und weiß genau, wen er hier interviewen muss, um eine nachvollziehbare, kohärente und ehrliche Story eines Genres zu erzählen. 

Eine Story, die mitunter erheitert, wenn Kreator-Drummer Jürgen "Ventor" Reil, mutmaßlich in seinem Tattoo-Studio, Geschichten aus dem Nähkästchen erzählt, Despair-Gitarrist Waldemar Sorychta von der frühen Szene als das "Asi de la Asi" spricht oder Tom Angelripper in charmantem Pott-Dialekt aus frühesten Band-Tagen im Proberaum berichtet. In diesen Momenten zeigt "Total Thrash" auch ganz deutlich, wie nahbar die Szene eigentlich ist. Zitat Onkel Tom: "Ich bin ja auch nur ein Fan, der ab und zu 'ne Stunde auf der Bühne steht." Und so, wie Hofmann alle Bands und Akteure einfängt, so hat man seine Lieblingsbands wohl lange nicht erlebt: In diesem Film kommen Nostalgiker nämlich auch ganz auf ihre Kosten, wenn es z.B. Auftritts-Mitschnitte von Enforcer aus den späten 80ern im Jugendzentrum Datteln in VHS-Qualität im Kino zu sehen gibt.

Natürlich liegt ein großer Fokus auf dem Ruhrgebiet, wenn man sich die Hintergründe von Sodom und Kreator ansieht - aber natürlich dürfen auch die Frankfurter Tankard um Andreas "Gerre" Geremia (der erzählt, sie hätten ihren ersten Plattenvertrag in der Kneipe unterzeichnet und nicht viel von dem, was drin stand, verstanden) oder die Baden-Württemberger Destruction um Marcel "Schmier" Schirmer nicht fehlen. Mal sprechen die Interviewpartner von Hofmann im Proberaum oder in Kneipenkulisse, mal läuft man durch Gartenlauben und Wohngebiete (kaum zu glauben, wie nah viele Musiker damals beieinander im Norden von Essen gewohnt haben), mal ist man an Schauplätzen von früher, wenn der Destruction-Frontmann zeigt, wo sie früher am See ihre Bierchen getrunken haben - oder wenn man alte Schauplätze für ikonische Fotoshootings und Band-Bilder besucht oder der Metal Fan Club Velbert, damals ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt der Szene, zeigt, wo man unter einer Autobahnbrücke schon in den 80ern feierte, sich austauschte, und wo das Tape-Trading Hochkonjunktur hatte. À propos Destruction: Dem Film ging eine Videobotschaft aus den USA voraus, in der die Band, die gerade dort auf Tour ist und deshalb bei der Premiere nicht zugegen sein konnte, noch einmal Grüße an die Macher des Films entrichtet.

Der Film selbst ist dabei grob in drei Kapitel eingeteilt - nachdem im ersten Teil besonders der Fokus auf der frühen Entwicklung der Thrash-Szene liegt, beleuchtet der Film im zweiten Part die "experimentelle Phase" des Genres in den 90ern, wo viele Akteure einhellig sagten, dass sie die Veröffentlichungen aus dieser Zeit -gelinde gesagt- eher nicht so hervorhieven wollten, wenn man über Highlights im Thrash-Metier spricht. In dieser Zeit lösten sich auch viele Bands auf, der Fan-Zuspruch war nicht mehr so da. Zu viel Midtempo bei Bands aus den USA, alles wurde kommerzieller durch die immer breitere Masse, die Metal-Musik konsumierte,  und durch das Aufkommen des Internets und die Popularität von Crossover und Grunge flutete zu viel weichgespülte Musik den Markt. Gleichzeitig merkt hier ein Tom Angelripper dagegen an, mit Sodom hätten er und seine Kollegen gerade zu dieser Zeit ihre härtesten Platten aufgenommen. Im Grunde wurde diese leidige Phase des Thrash Metals erst durch die legendäre, ausverkaufte Tour von Sodom, Kreator und Destruction Anno 2001 durchbrochen, wie die Musiker selbst sagen. 

Eine besondere Facette ist wohl auch, dass man nicht nur die westdeutsche Geschichte der 80er zeigt, sondern sich auch der DDR zuwendet, welche zwar unter schwierigeren Voraussetzungen zu leben hatte, da die Platten dort horrende Preise hatten, wenn man überhaupt an Musik aus Übersee bzw. Westdeutschland kam, aber auch nicht "hinter'm Mond lebte", wie auch Ralf "Zeidler" Klein von Macbeth aus Erfurt berichtet. Nur, dass man sich damals erstmal diversen Kulturgremien des DDR-Regimes stellen musste, um überhaupt mal auftreten zu dürfen. Legendär ist auch der Mitschnitt vom ersten Kreator-Auftritt Anfang der 90er Jahre im Osten Berlins, der schon damals dem Kommerzgedanken in Sachen Metal den Kampf ansagte. 

Dass es ein besonderes Erlebnis war, "Total Thrash" auch im Kino zu sehen, das merkt man natürlich vor allem an den Live-Mitschnitten, welche bei großer Leinwand und exzellentem Sound natürlich besonders zur Geltung kommen. Bei der Premiere gab es auch immer wieder Zwischenrufe, wenn bestimmte Personen zu Wort kamen, Jubelrufe und Namensschreie aus vollster Kehle, immer wieder Applaus bei manchen Aussagen. Vor allem, als am Ende nochmal alle Akteure die Bühne betraten und die Lichtburg-Stage damit prall gefüllt war, stellte sich unter Beweis, wie viele Köpfe nicht nur mitgewirkt haben, sondern auch an diesem Premiere-Abend anwesend waren.

Was man an dieser Stelle auch noch einmal hervorheben sollte, ist die Tatsache, dass "Total Thrash" nicht bloß eine Hommage an Szene-Größen und ein Tauchgang in die Vergangenheit darstellt, sondern in kurzen Einspielern im letzten Filmkapitel auch diverse jüngere Bands zu Wort kommen lässt, die Hofmann und sein Team in den vergangenen Jahren begleitet haben: Darunter u.a. Dust Bolt und sogar die GANZ junge Garde mit Leon Schwind von Reactorblast, gerade erst vergangenes Jahr mit ihrer ersten EP am Start und gefühlt gerade erst aus der Schule gekommen, aber auch die Jungs von Traitor sind im Film teils im Fokus und es gibt einige Live-Ausschnitte von deren Auftritt beim Party.San Open Air im Kino zu sehen. [An dieser Stelle möchten wir kurz darauf hinweisen, dass Bassist Lorenz Kandolf in seinem Undergrounded-Shirt eine hervorragende Figur macht!] 

Im Foyer der Lichtburg und so auch auf der ganzen Kino-Tour gab es natürlich auch einen Merch-Stand - denn welche Tour kommt schon ohne ein Tour-Shirt und entsprechendes Merch aus, gleich ob es eine Band-Tournee oder eine Film-Tournee ist? Hier konnte die Doku bereits auf DVD und Blu-ray gepresst erworben werden, hier gab es Filmplakate, Shirts, Baumwolltaschen und die Single "Total Thrash", welche Traitor und Tom Angelripper gemeinsam im Zuge der Werbung für den Film aufgenommen haben und die auch Teil des Filmabspanns ist.

Gleich zu Anfang griff Hofmann auf Archivmaterial und Industrie-Impressionen der Stadt Essen und des Ruhrgebiets allgemein zurück und dazu ertönte das im Pott bestens bekannte "Steigerlied" - die Klammer wird gegen Ende auch schön geschlossen, wenn man einen Live-Mitschnitt von Sodoms brachialer "Glück auf, Glück auf"-Version aus dem Jahr 2019 in Oberhausen bezeugen darf. Ein guter Zeitpunkt für die Veröffentlichung des Films, wie Hofmann auch vor der Filmaufführung anmerkte, da gerade jetzt nach der Pandemie der Hunger nach Live-Musik wieder groß sei und das Genre und so auch viele Bands bereits ihren 40. Geburtstag feiern. 

Bericht: Haimaxia

Fotos: Anna Apostata

Ihr wollt "Total Thrash-The Teutonic Story" auch im Kino erleben? Dann habt ihr an folgenden Daten die Gelegenheit:

Di 31.05.2022 Essen (Premiere)
Do 02.06.2022 Münster
Mo 06.06.2022 Lingen
Di 07.06.2022 Bremen
Mi 08.06.2022 Hannover
Do 09.06.2022 Hamburg
Fr 10.06.2022 Schleswig
Sa 11.06.2022 Schwerin
So 12.06.2022 Greifswald
Mo 13.06.2022 Berlin
Di 14.06.2022 Cottbus
Mi 15.06.2022 Dresden
Do 16.06.2022 Leipzig
Fr 17.06.2022 Kassel
Sa 18.06.2022 Ludwigsburg
So 19.06.2022 Erfurt
Mo 20.06.2022 Schweinfurt
Di 21.06.2022 Bamberg
Mi 22.06.2022 Nürnberg
Do 23.06.2022 München
Fr 24.06.2022 Neu-Ulm
Sa 25.06.2022 Freiburg
So 26.06.2022 Saarbrücken
Mo 27.06.2022 Frankfurt
Di 28.06.2022 Mannheim
Mi 29.06.2022 Koblenz
Do 30.06.2022 Aachen
Fr 01.07.2022 Köln
Sa 02.07.2022 Siegen
So 03.07.2022 Brilon
Fr 29.07.2022 Luzern (CH)

PUNKTE
Bewertung

Oft wird der Metal-Szene ein schier unbändiger Zusammenhalt nachgesagt, der keine Grenzen kenne - im Thrash Metal-Genre ist das augenscheinlich mehr als treffend. "Total Thrash-The Teutonic Story" ist ein Film, der nicht nur geneigten Hörern der Musik einige Mosaiksteinchen an Wissen über die Szene mehr einbringt, sondern auch den Funken überspringen lassen kann, wenn man sonst eher in anderen Genres verwurzelt ist. Was Regisseur Daniel Hofmann und seinem Team hier gelungen ist, ist eine herzliche, mit Selbstironie gespickte Fan-Hommage an die deutschen Bands, die das Genre geprägt haben - aber immer auf qualitativ hohem Niveau und keineswegs amateurhaft. Hier wurde ein Stück Musikgeschichte festgehalten. Ein Muss, wenn man im Thrash Metal zu Hause ist, aber eine ganz klare Empfehlung, wenn man das nicht ist!

Band

  • Total Thrash-The Teutonic Story

Erscheinungsdatum

  • 31.05.2022
Haimaxia

He whispers, when the demons come. Do you make peace with them or do you become one of them?

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