21.08.2025 - Kreator "Hate & Hope" Filmpremiere - Lichtburg, Essen
Review

21.08.2025 - Kreator "Hate & Hope" Filmpremiere - Lichtburg, Essen

Dieses Jahr erscheint mit "Hate & Hope" eine ganz besondere Doku für alle Fans der Thrash Metal-Szene und darüber hinaus: Der Kreator-Dokumentarfilm, der erstmalig die vierzigjährige Geschichte der gefeierten Truppe erzählt, die 1982 im Ruhrgebiet begann und heute erfolgreicher ist denn je. Regisseurin Cordula Kablitz-Post und die Bandmitglieder höchst selbst waren bei der Premiere am 21. August in der Essener Lichtburg anwesend, welche gleich in doppelter Ausführung Indoor und Outdoor stattfand. Wir waren vor Ort.

  • von Haimaxia
  • 27.08.2025
Eine wahre Liebeserklärung

Vergangenen Donnerstag verwandelte sich die Lichtburg in Essen in ein Metal-Paralleluniversum - das wurde schon in der Fußgängerzone der Innenstadt deutlich, wo sich am roten Teppich zahlreiche Jünger der Essener Urgesteine Kreator versammelten. Nicht nur, dass das traditionsreiche Kino den neuen Doku-Film „Hate & Hope“ zeigte – es gab zeitgleich sogar zwei Premieren: drinnen im Saal mit großem Kinogefühl in einem der schönsten und dem tatsächlich größten Filmtheater Deutschlands und draußen auf dem Domplatz zum Lichtburg Open Air-Screening. Dazu dröhnte draußen schon ein Metal-DJ, der die wartende Menge mit Klassikern auf Betriebstemperatur brachte. Man hatte fast das Gefühl, man stünde eher auf einem Festival, als vor einem Kino - und das mitten in der Ruhrpott-City. Das war genau die richtige Einstimmung für einen Film, der nicht nur ein Porträt einer Band ist, sondern ein Manifest einer ganzen Szene und eine wahre Liebeserklärung an den Thrash Metal.

Schon nach wenigen Minuten ist klar: Dieser Film funktioniert nicht nur für Die-Hard-Fans, sondern auch für alle, die Kreator bisher nur vom Hörensagen kennen. Die Mischung aus Nähe, Humor und musikalischer Wucht reißt mit – wie damals bei Total Thrash (Review hier) springt der Funke sofort über. Regisseurin Cordula Kablitz-Post geht den Stoff mit einem Blick an, der frei von Zynismus, aber voller Hingabe ist. Sie kennt die Mechanik des Musikfilms (auch andere filmische Biographien, u.a. über Nina Hagen, Die Toten Hosen und Scooter stammen von ihr) und sie weiß, dass Metal keine kalte Analyse, sondern Herzblut braucht. Das merkt man in jeder Szene, jedem Interview, jedem Schnitt. Letztere sind besonders gewitzt gesetzt: Mal wird von aktuellem Tourgeschehen und lautem Geballer auf die Privatwohnung von Drummer Ventor geschnitten, mal springen wir von aktuellen Interviews zu Aufnahmen aus dem Tourbus mit alten Kameras aus den 80ern.

Mit Charme und Härte: 40 Jahre Kreator

Seit ’82 walzen Mille Petrozza und seine Truppe kompromisslos alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellt – schneller, härter, ehrlicher als der weichgespülte Rest. Man wirft den Scheinwerfer auf 40 Jahre Sturm und Drang aus dem Ruhrpott, von verrauchten Jugendzentren bis zu Festival-Bühnen auf allen Kontinenten. Die Erzählung schlägt einen weiten Bogen: von den Anfängen in den 80ern – als ein paar Kids aus Altenessen mit kaputten Verstärkern und übersteuerten Demos plötzlich eine ganze Subkultur mitprägten. Die von Tapetrading erzählen und berichten, sie hätten gedacht, ihre Gitarren seien kaputt, bis sie herausfanden, dass man sie stimmen muss – bis hin zum globalen Triumphzug einer Band, die längst in der obersten Liga spielt. Die alten Aufnahmen sind dabei pures Gold: Schwitzige Clubs, chaotische Backstageräume, Alkohol, eine Band, die in ihrer charmanten Naivität kaum liebenswerter sein könnte. Dazu skurrile Geschichten, die nur das Leben in der Szene schreiben kann: etwa die Anekdote vom Drakkar-Chef, der erklärt, wie Ventor seinen Einberufungsbefehl von der Bundeswehr erhielt und dadurch die Kreator-Tour auf der Kippe stand, was nur durch ein windiges Attest über angebliche Drogenprobleme abgewendet wurde. Das ist so absurd, dass man Tränen lacht – und gleichzeitig zeigt es, wie verdammt schmal damals der Grat zwischen Weltkarriere und totalem Absturz war.

Doch „Hate & Hope“ bleibt nicht im Gestern hängen: Kablitz-Post begleitet die Band auch auf ihren jüngsten Touren, nach Japan, nach Indien, auf die großen Festivalbühnen Europas. Ein Highlight ist der Blick auf den „Klash of the Ruhrpott“ in Gelsenkirchen – jenes Mammut-Event der Teutonic Four mit Sodom, Destruction und Tankard, das buchstäblich ins Wasser fiel und abgebrochen werden musste. Diese Bilder zeigen nicht nur den Erfolg, sondern auch, wie fragil selbst die größten Shows sein können. Und doch: Kreator gehen unbeirrt weiter, treiben ihre Mission um die Welt und zeigen, dass sie nach 40 Jahren noch immer hungrig sind. Auch die Musiker der genannten anderen deutschen Thrash-Bands kommen zu Wort und wir sehen Fan-Stories, die einfach nur schön sind - wenn Menschen aus aller Welt an den Rhein-Herne-Kanal pilgern, nur um Kreator zu sehen.

Viele Perspektiven aus der Szene

Besonders stark sind die unterschiedlichen Stimmen anderer Bands und Musiker: Scott Ian von Anthrax lacht sich sichtlich schlapp, wenn er die Drums der frühen Kreator-Platten beschreibt: „als würde man sie die Treppe runterwerfen“ – ein Satz, der hängenbleibt, weil er so liebevoll-ironisch das rohe Fundament dieser Musik auf den Punkt bringt. Chuck Billy von Testament würdigt die Band als gleichwertige Speerspitze neben den US-Thrashern. Und Bela B. von den Ärzten betont, dass Kreators antifaschistische Ansagen Ende der Achtziger eine klare Brücke zum Punk schlugen – eine Haltung, die bis heute Respekt verdient.

Die Musik selbst wird im Film perfekt in Szene gesetzt. Immer wieder setzen Live-Sequenzen den entscheidenden Schlag in die Magengrube: „666 – World Divided“ donnert mit apokalyptischer Wucht über die Leinwand, „Satan Is Real“ aus der Gods of Violence-Ära peitscht das Publikum auf, und mit „Flag of Hate“ wird ein Klassiker ins Feld geführt, der wie ein Schlachtruf klingt. Die Kamera geht mitten in den Pit, fängt Wall-of-Death-Momente ein, aber nimmt sich auch die Ruhe, die Band in persönlichen Gesprächen zu zeigen - auch Familienmitglieder kommen dabei zu Wort. Genau dieses Wechselspiel aus Adrenalin und Intimität macht den Film so besonders.

Ein Fazit

„Hate & Hope“ ist kein trockenes Metalmuseum, sondern eine lebendige Reise – eine, die dich von den verrauchten Kellern des Ruhrpotts bis nach Tokio und Bangalore führt. Dabei vergisst der Film nie, dass Kreator mehr sind als nur eine gealterte Metal-Band, die jeder dritte Szene-Gänger auf seiner Kutte trägt: Sie sind ein Sprachrohr, ein sympathischer Wirbelwind, ein Symbol dafür, dass Musik Haltung zeigen kann. Kablitz-Post schafft es, diese politische Dimension mitzudenken, ohne belehrend zu wirken. Stattdessen spiegelt sich die Kraft der Band in den Gesichtern ihrer Fans wider – Kids, die heute genauso durchdrehen wie die ersten Headbanger in den 80ern. Mille Petrozza selbst freute sich vor Filmbeginn über die vielen Besucherinnen und Besucher und betonte, wie schön es ist, so viele Leute zu sehen, die mit ihnen erwachsen geworden sind. Das Publikum? Na klar, viele Fans erster Stunde - aber auch jüngere Fans, die mit Sicherheit erst in den letzten paar Jahren zu Kreator gekommen sind.

So verlässt man den Film mit einem Gefühl, als hätte man nicht nur ein Konzert, eine einfache Doku, sondern eine ganze Zeitreise erlebt. „Hate & Hope“ ist ein Film, der das Herz der Szene trifft und der zeigt, warum Kreator nicht nur irgendeine Band aus Essen sind, sondern ein globaler Kult. Wer sich darauf einlässt, bekommt Thrash in Reinform – roh, politisch, liebevoll, witzig und brutal ehrlich. Kurz: ein gelungener Rundumschlag.

PUNKTE
Bewertung

Vier Jahrzehnte Thrash-Geschichte – und kein bisschen leise: Kreator. Für die einen sind sie gottgleich, für die anderen schlicht der Beweis, dass der Teufel in Essen geboren wurde. Doch hier geht’s nicht nur um Nieten, Kutten und Bierduschen: Kreator schlagen auch textlich zu – mit Zitaten von Hannah Arendt, während im nächsten Frame der Kopf rollt. Chaos-Poesie, präzise inszeniert, ein Soundtrack aus rasenden Riffs, peitschenden Drums und einer Energie, die noch jede Vorband in Schutt und Asche legt. Ein Molotow-Cocktail aus Wut, Haltung und kathartischem Lärm. Regisseurin Kablitz-Post fängt all das ein, verzaubert alle Zuschauerinnen und Zuschauer mit Leichtigkeit und überzeugt mit dieser Doku einen jeden von der Bedeutung der Band. Bei Fans punktet sie damit gehörig. So sollten filmische Biographien einer Metalband aussehen.

Haimaxia

He whispers, when the demons come. Do you make peace with them or do you become one of them?

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