Schattenfang - Perdurabo
Review

Schattenfang - Perdurabo

Ende April erschien via Northern Fog Records (u.a. Paragon Belial & Runenwacht) nach beinahe 4 Jahren das neue Werk der Thüringer Formation Schattenfang. Diese präsentieren mit dem groß angelegten Konzeptalbum “Perdurabo” nicht bloß ein umfangreiches Doppel-Album mit summa summarum ca. 85min Spieldauer, sondern beweisen auch ein weit kreativeres Songwriting und ein im Vergleich mit früheren Werken ausgereifteres, aber vor allem nachdenklich stimmendes Opus. Wir nehmen den Deep Dive.

  • von Haimaxia
  • 15.05.2024

Mehr als nur eine Durchhalteparole

Nachdem Anno 2020, im Jahr von Corona und musikalischer Durststrecke, im Hause Schattenfang die finstere Split “Blutpakt” gemeinsam mit Bluteck und Runenwacht, sowie mit “X-Dekade des Krieges” zum zehnjährigen Bestehen des Projekts ein Rückblick in Form einer Compilation erschienen, steuerte man mit immer wieder wechselnder Besetzung an Gitarren und Bass auf neue Gefilde zu - eine Konstante dabei: Bandkopf Invidia an den Drums und Sänger Illuvataris, der seit 2019 Schattenfang seine Stimme verleiht. “Perdurabo” stellt damit einerseits das erste Voll-Album dar, auf dem die “neue” Stimme zu hören ist - andererseits markiert auch schon der Titel mehr als nur eine kraftvolle Durchhalteparole. Der lateinische Titel steht für den inhärenten Schmerz, den das Album in seinen Songs behandelt, und den Umgang mit diesem, indem er uns ein “Ich werde durchhalten” ins Gesicht skandiert. 

Hochinteressante Lyrik oder nur Blabla?  

Der schon länger veröffentlichte, erste Einblick “Das Meer in uns” wurde bereits 2021 in den Äther geworfen und wies schon da auf einen weit kontemplativeren Charakter der Stücke hin - nicht, dass das Schaffen der Thüringer zuvor platt oder uninspiriert gewesen wäre. Eine derartige emotionale, aufwühlende Tiefe, wie die Musiker in ihrem Black Metal-Reißfluss bei “Perdurabo” beweisen, hatte zumindest unser Team bisher nicht bei Schattenfang in dieser Schärfe wahrgenommen. Beispiele hierfür finden wir bei dem beeindruckend wirkmächtigen “Insomnia”,  aber auch bei einem Song wie “Non Omnis Moriar”, welcher schon alleine musikalisch als Schlaglicht hervorsticht. Dort wird der Hörer mit existenziellen Fragen konfrontiert - die Fragen danach, was real ist, was Leben und Tod bedeuten und was Selbstbetrug anrichten kann, lassen den Song zusammen mit den treibenden Drums und den starken Gitarrenpassagen zu einem der besten Stücke von “Perdurabo” werden.  

Während “In Flammen” vor allem mit den eingebauten Samples auffällt, in denen ein Trennungsgespräch aus dem Film “Hautnah”, im Original “Closer” (Mike Nichols, 2004), mit teils derberer Wortwahl den poetisch formschöneren Lyrics gegenübergestellt wird, bemerkt man auch hier, aus welchen Gefühlen sich Schattenfangs schöpferisches Feuer auf “Perdurabo” speist: Wut und Enttäuschung darüber, dass Menschen lügen, die Wahrheit verwässern und nicht aufrichtig sind, zersplitternde Beziehungen, das lähmende Gefühl betrogen worden zu sein. Der Horror liegt wortwörtlich, wie es Schattenfang gleich zu Anfang im Text sagen, zwischen den Zeilen. Wenn man sich die Zeit nimmt, kann man in den Songtexten eine Menge entdecken - auch wenn das nicht für jedes Stück gilt. So veredelt vor allem Vivus Humare-Stimme Mt. Beliar ein “Des Frühlings Kalter Glanz”, welcher ohne den Gastgesang blasser bliebe und textlich weit weniger gedankenvoll zurückbleibt (übrigens nicht der einzige Gastbeitrag auf dem Album, auch u.a. Horda (Waldtraene, Firn) ist an den Vocals zu hören - und mit Mantus (Throne ov Shiva) gibt es auch an musikalischer Front Unterstützung). Überwiegend besticht “Perdurabo” aber mit spannender Lyrik.  

Rauschhafte Songs mit durchdachter Einrahmung

Was auffällt, ist vor allem Eines: Hier wird nicht einfach nur drauf los geballert. Den sich immer mehr aufbauenden Songs, die oft in Midtempo-Größenordnung beginnen und über lange Strecken eher wenig in die Vollen gehen, wird gut und gerne besonderes Ornament übergestülpt oder ein angemessener Rahmen verpasst - “Weißes Rauschen” beginnt zum Beispiel rasant und zeigt, dass “Perdurabo” keineswegs ein Emo-Brocken ist, der das Prädikat Black Metal nicht verdient hätte. Dem Song wird aber ein Piano- und Violinenintro verliehen, der das rasante Ding einläutet. Ähnlich auch beim finalen Doppel “Ars Memoriae” (mit einer dreieinhalbminütigen Ambient-Einleitung) und “Ars Oblivionalis” (mit einem geradezu verspielten Piano-Element), welche über lange Strecken rein instrumental wirken und dem Gesamtbild mit ihrer Wucht noch einmal die Krone aufsetzen.

Der Tragödie zweiter Teil

In bester Goethe-Anlehnung beschreibt das Duo um Sänger Illuvataris und Drummer Invidia ihr Werk - und hat sich wahrlich selbst übertroffen. Welche der letzten Veröffentlichungen exakt den ersten Teil des nun abgerundeten Werks darstellen, ist nicht ganz ergründlich. Aber dieser zweite Part hat es definitiv in sich - auch wenn manche Textpassagen -wenn man sich diese aus den Songs herausgreifen und ohne die gezimmerten Songs hören könnte- mitunter auch als von Pathos geschwängert wahrgenommen werden können. Klar - manche mögen ihren Black Metal ohnehin eher geradliniger und weniger auf emotionaler Ebene ausgearbeitet. Wir sind hier aber auch nicht bei filigraner Alcest-Atmosphäre, dafür fahren Schattenfang zwischendurch zu große Geschütze auf.  Böse Zungen würden "Perdurabo" wegen seiner Gesamtlänge vielleicht Größenwahnsinn oder gar Langatmigkeit attestieren - wenn man sich einlassen kann auf die Passion, auf die uns das Duo mitnimmt, entpuppen sich diese Anmerkungen aber als Argumente, die nicht ziehen. Trotz der Tatsache, dass nicht alle Songs auf dem Niveau derer stattfinden, die wir hervorheben wollten. Für uns stellt das Album trotzdem alles bisherige in den Schatten.

Trackliste:

1. Wolfsdrang
2. In Flammen
3. Das Meer in uns
4. Feuertaufe
5. Non Omnis Moriar
6. Des Frühlings Kalter Glanz
7. Insomnia
8. Septembermorgen
9. Weißes Rauschen
10. Leere
11. Seelenwanderung
12. Ars Memoriae
13. Ars Oblivionalis                

8
PUNKTE
Bewertung

Eingewoben in die Songstrukturen punkten Schattenfang auf “Perdurabo” mit ihrer Sensibilität, mit einem im unbequemsten Sinne des Genres gefühlvollen Gratmarsch, der mit jedem weiteren Durchlauf wächst. Eine andere Sache kann man nämlich auch aus dem Titel des Werks herauslesen: So kann “Perdurabo” auch mit “Ich werde fortdauern/fortbestehen” übersetzen - ein Versprechen, dass wir noch viel von Schattenfang zu erwarten haben, da kann man sich sicher sein.

Band

  • Schattenfang

Album Titel

  • Perdurabo

Erscheinungsdatum

  • 30.04.2024
Haimaxia

He whispers, when the demons come. Do you make peace with them or do you become one of them?

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