26.-27.04.2024 - Walpurgisnacht, Orwohaus Berlin + Kawir + 1914 + Thy Light+++
Review

26.-27.04.2024 - Walpurgisnacht, Orwohaus Berlin + Kawir + 1914 + Thy Light+++

Schon mit einem starken Hauch von Frühling in der Luft haben wir uns auf den Weg nach Berlin gemacht und das Walpurgisnacht-Festival im ORWO-Haus zu begleiten und das Ereignis in Wort und Bild festzuhalten. Wir waren zum ersten Mal beim ORWO und fanden die Kombination von Veranstaltungsort und vielen Proberäumen erstaunlich naheliegend und kreativ umgesetzt. Die nächste positive Wahrnehmung war das auf der Grünfläche vor dem Haus die fest installierte Grillmöglichkeit über Tag in Nutzung genommen werden sollte.

  • von Starduster
  • 09.05.2024

Schnell wechselhaftes und windiges Wetter mit überwiegend blauem Himmel schien dem nichts entgegenstellen zu wollen. Etwas überrascht waren wir von der Tatsache, dass im Konzertraum selbst so gut wie gar keine Beleuchtung existiert, so dass man sich stets und besonders in den Pausen, vorsichtig bewegen mußte, um Zusammenstöße zu vermeiden.

Pünktlich um 14.30 Uhr war es an der Zeit für die niedersächsischen Abglanz das Festival zu eröffnen. Der schnörkellose und doch melodische Black Metal fand wohlmeinenden Anklang beim bereits vorhandenen Publikum, welches sich im Laufe der angesetzten 40 minütigen Spielzeit noch vermehrte. Abglanz präsentierten hauptsächlich die drei BM-Songs ihrer EP „Call of the woods“ aus Anfang 2023 sowie unbekanntes Material. Ein guter Sound hat zu dem gelungenen Festival-Einstieg beigetragen und in der Umbaupause haben wir uns an den Merchandise-Ständen über das vorhandene Angebot informiert.

Dann wurde die Bühne bereitet für Death Cult 69. Dies war die einzige Doom-Band des Events und lies erstmal optisch (durch den hoch motivierten Sänger) und soundtechnisch durch das präsente Keyboard an Type O Negative erinnern. Der eigentümliche und durchgehend klare Gesang von Konstantin Michaely rückte das Ganze dann in eine Stoner Doom, Gothic/Wave Ecke. Das die Band auch den bekannten Song „Fire“ von Arthur Brown gecovert hat, bezeugt ihre musikalische Inspiration. Ich bin zwar aus dem Bandkonzept nicht schlau geworden, aber trotzdem in der Zeit sehr gut unterhalten worden. Man muß sagen das obwohl Death Cult 69 aus dem sonstigen musikalischen billing herausfielen und auf einem anders ausgerichteten Konzert besser aufgehoben gewesen werden, dafür aber beim weltoffenen Berliner Publikum sehr abgefeiert wurden. Ein erfolgreicher Auftritt und wichtiger Schritt für die Band, die ja bisher noch kein Album vorgelegt hat.

Mit Trivax, den Black Metallern aus Iran, Syrien und England, kam wieder explosive Action zurück auf die Bühne. Das quirlige und sympathische Trio bot eine bunte Mischung durch ihre bisherigen Veröffentlichungen und nutzte ihre Spielzeit um, trotz ihrer destruktiven Inhalte, gute Laune zu verbreiten. Das Publikum erlebte energiegeladene 40 Minuten mit Trivax, die angetrieben durch den schnellen Black Metal auch wie mit Hyperschall vergingen. Ein starker Auftritt!

Mittlerweile war das für ab 17.00 Uhr angekündigte Essen sowohl indoors als auch Outdoors in Stellung gebracht worden. Bis die ersten Grillhappen dann zur Verfügung standen hat es naturgemäß noch etwas gedauert und Indoors gab es zu Anfang kurze technische Probleme, aber dann lief es rund. Auch das merchandise des Tages ist mittlerweile vollständig in der Auslage verfügbar.

Leider wurde schon 2 Tage vor der Veranstaltung bekannt, dass Mütterlein aus Frankreich nicht auftreten konnte; auf Grund von Streiks in Frankreich gab es keine Möglichkeit den Auftritt zu realisieren. Dankenswerterweise sind Drengskapur aus Berlin eingesprungen. Das Duo, welches schon seit 2002 seinen räudigen deutschsprachigen Black Metal vertreibt und auf bereits 4 Alben und viele split-releases zurückblicken kann, hatte dann um 18.00 Uhr grünes Licht. Obwohl nur mit Gitarre und Schlagzeug im Einsatz konnte der kalte und puristische BM sehr gut umgesetzt werden. An ausreichend Material fehlte es ja nicht und Drengskapur lieferten einen vielgesichtigen Querschnitt durch ihre BM-Interpretationen. Gelungener Gig.

Um 19.20 Uhr war die Reihe an Kawir, dem griechischen BM-Urgestein das schon seit 1993 sein Werk verrichtet und gerade ganz frisch im April mit „Kydoimos“ ihr neuntes Studio-Alben veröffentlicht hatte. Entsprechend erwartungsvoll füllten sich die Reihen vor der Bühne. Belohnt wurde die Wartezeit mit einem runden und sehr gut in Szene gesetzten Auftritt der Griechen, die mit ihrer über die Jahren gewonnenen Professionalität glänzen konnten. Ältestes und einzig verbliebenes Gründungsmitglied Therthonax war die Spielfreude sprichwörtlich anzumerken und Sänger Porphyrion, der mit Unterbrechungen seit 2005 dabei ist, hat die griechischen Sagen und Mythen mit stets böser Miene interpretiert. Starker Auftritt wie erwartet.

Mit Dornenreich war bei diesem Festival ein kontroverser und gleichzeitig wegweisender Meilenstein nicht nur des österreichischen Black Metals gleich zweimal am Start. Am Freitag gab das Duo Eviga und Inve mit Akustik-Gitarre und Violine zunächst die „acoustic“-Schaffenszeiten im Querschnitt zum Besten; also ab dem Album „Hexenwind“ bis heute. Dicht gedrängt in den vorderen Reihen und vor der insgesamt prall gefüllter Halle starteten Dornenreich pünktlich um 20.40 Uhr ihren Set. Es war doch sehr faszinierend wie es die Band schaffte mit allseits bekannten Songs die Zuschauer derart in den Bann zu ziehen, dass sie bei plötzlichen Eruptionen derart zusammenzuckten als hätten sie es gerade zum ersten Mal gehört. Die dunkle Kunst wurde stets mit frenetischem Zuspruch begeistert bezeugt und lieferte gleichzeitig eine willkommene Abwechslung zum sonstigen Geschehen. Von daher ein zauberhafter und fesselnder Auftritt, der mit minimalistischen Mitteln maximale Wirkung entfaltete.

Mit ähnlich berühmtem Namen ging es dann weiter: The Vision Bleak, die „Masters of Horror Metal“ luden zu düsterem Geschehen ein. Aus undergrounded-Sicht ist The Vision Bleak nicht mehr dem underground zuzuordnen und gilt eigentlich als Party-Metal mit Grusel-Lyrics…

Von daher wurde auch die Fortsetzung der guten Festival-Stimmung erwartet und erfüllt. Für mich persönlich war es etwas zu viel Party und leider war der Sound denkbar schlecht: viel zu laut und die Stimme zu leise. Auf Grund dessen konnte aus meiner Sicht die Horror/Grusel-Atmosphäre der Alben in der Form und Qualität nicht auf die Bühne transportiert werden. Das Publikum hat hieran keinen Anstoß genommen und alte wie neue Hits (The Deathship Symphony, The night of living dead, Kutulu…) steil abgefeiert. Als Fazit haben The Vision Bleak natürlich voll abgeliefert, aber da wäre mit Sicherheit noch mehr drin gewesen.

 

Und mit dem Headliner des Tages war es an der Zeit für 1914 ...Lang erwartet wie wir sagen müssen: gab es doch in der Vergangenheit mindestens 2 Events wo wir 1914 hätten sehen sollen, was aber dann aus weltweit bekanntem, ärgerlichem und sinnlosem Grunde immer abgesagt werden mußte.

Aber gerade dieser Grund lieferte auch den Aufhänger für eine tief beeindruckende Performance. Während sich die Musiker in folkloristischen Ukraine-Uniformen präsentierten kam Sänger Ditmar Kumarberg sprichwörtlich in Sack und Asche auf die Bühne. Der lyrische Schwerpunkt auf die Kriegsthematik/Erster Weltkrieg, war ja schon seit Bandgründung festgeschrieben, aber die immer noch wütende Katastrophe in ihrem Heimatland gab Anlaß für Ditmar sich dazu zu äußern. Im Rahmen dieses Reviews halten wir jedoch an der Maxime fest, dass metal music nicht politisch ist. Ansonsten müssen wir hier von einem absolut ergreifenden und perfektem Auftritt sprechen: ob nun der Sound, die Integrität aller agierenden Musiker, oder die Performance als solches mußten zwangsläufig dazu führen hier das absolute highlight des Tages und den gesetzten Headliner anzuerkennen. Ein Auftritt, der zumindest mir und ich denke auch vielen Anwesenden, in nachhaltiger Erinnerung bleiben wird.

Tag 2 des Festivals begann wiederum um 14.00 Uhr bei vielversprechenderen Wetteraussichten und entsprechend guter Laune unter den Besuchern und den ansonsten gleichen Voraussetzungen des Vortages.

Pünktlich um 14.30 Uhr eröffneten die hessischen Gasbrand den Reigen dieses Tages mit einem sehr gut gemachten Intro und das Duo stieg dann auch gleich ein mit ihrem schnellen Black Metal. Wie bei so vielen Bands die als firestarter den Anfang machen, wäre vielleicht mehr Zuspruch drin gewesen, wenn auch schon mehr Besucher den Weg zurück zum Veranstaltungsort gefunden hätten. F.N. an den Drums, der seit 2020 an der Seite von Azaziel musiziert, hat hier übrigens eine bemerkenswerte Leistung abgeliefert. Jenseits dieses Auftrittes und der bisherigen Veröffentlichungen liegt auf jeden Fall noch sehr viel Potential verborgen, weiter so!

Der nächste Auftritt war auf jeden Fall ein Überraschung, die ich so nicht erwartet hatte. Haeresis haben offensichtlich ein Konzept erarbeitet wie sie ihre monochrome Musik visuell darstellen wollen. Dies beinhaltete den konstanten Einsatz von blauem Licht, die beständig aufgefüllte Präsenz von Nebelschwaden und gleichzeitigen Einsatz von eigenem Stroboskop-Licht (worauf schon beim merchandise-Stand warnend hingewiesen wurde). Das Ergebnis war zusammengenommen eine unglaublich intensive Performance, denn die massive Soundwall, durchsetzt mit dem Schreigesang von Sängerin Cristin, hat ihre hypnotische Wirkung nicht verfehlt. Vergleiche mit den aktuellen Wiegedood kamen mir in den Sinn. So setzten Haeresis schon früh ein absolutes Highlight des Tages. Ein Auftritt an den man denken wird!

Als nächstes war es an der Reihe von Mother Augusta die Bühne zu bespielen. Nach Haeresis waren die Italiener im Stile von Novembers Doom oder October Tide sehr entspannend mit ihrem gothic-lastigem, auch atmosphärischen Black Metal. Obgleich ein fehlerfreier und durchaus gelungener Auftritt konnte man die Begeisterung der Vorbands nicht halten, zumal alle anderen Bands nicht in dieser Genre-Nische beheimatet waren. Im Resumé also handwerklich gute Musik und schöne Melodien, die in einem anderen Kontext mehr Aufmerksamkeit erlangt hätte.

Mit Perchta war nun eine vielversprechende österreichische Band am Start, die schon durch ihr erstes Album die Grenzen zwischen Black Metal und Pagan transzendiert hat. Eine authentische Selbstdarstellung und Bühnenpräsentation hat das von Anfang an schon stark interessierte Publikum während der gesamten Vorstellung fasziniert. Mit einem starken und gut ausbalancierten Sound sowie ihrer agilen Performance haben Perchta das Publikum schnell für sich eingenommen. Auch die Songs vom in Kürze zu erwartenden neuen Album fügten sich nahtlos sein. Die nicht alltägliche Mischung zwischen ungestümen Black Metal und intensiven getragenen Parts in epischen Songstrukturen, und das ständig präsente akustischen „Hackbrett“ und der lyrische Dialekt brachten die Zuschauer direkt die geistige Heimat der Band vor Augen und an die damit verbundenen magisch-mystischen Orte. Es ist wohl der Zauber des Gesamtkunstwerkes "Perchta" der hier begeistern konnte. Auch das nachträgliche Interesse am merchandise Stand war Zeugnis des Interesses und der Magie welche die Band auch nach dem Auftritt noch weiter trug. Faszinierend!

Obwohl mit den nachfolgenden Thy Light aus dem Bereich des Depressive Black Metal eine dem Herkunftsland (Brasilien) nach eher exotische Band ihr Stell-Dich-Ein hatte, blickt man doch schon auf sehr erfolgreiche Auftritte in Deutschland aus dem letzten Jahr zurück und konnte schon auf eine feste Fan-Base zählen. Dies zeigte sich diesmal wieder, wobei Thy Light nach The Vision Bleak den schlechtesten Sound des Festival hatten. Dies war natürlich bedauerlich aber hielt die anwesenden die-hard-Fans (und den ganzen Rest) nicht von ihrem begeisternden und letztendlich auch verdientem Zuspruch ab. Man kann behaupten das die Magie von Thy Light auf der Bühne unabhängig von ihrem Sound zu begreifen ist, denn Thy Light sind wahrscheinlich und genau deshalb nicht zu Unrecht die zur Zeit führende Band in diesem Genre.


 

Sun of the Sleepless ist Solo-Projekt von Ulf Schwadorf, der auch bei The Vision Bleak und Ewigheim aktiv ist und den wir schon am Vortag bei The Vision Bleak in Aktion erlebt haben. Mit Sun of the Sleepless ist besagter Mastermind auch schon seit 1999 aktiv und hat immer mal wieder outputs rausgehauen. Live Auftritte waren jedoch eher selten so dass wir hier besonders gespannt waren. Und tatsächlich zeigte sich hier ein englischsprachiges und melodisches Black Metal-Projekt, das sehr zu gefallen wußte. Die live-Präsentation war nicht der Fokus, sondern man hat gepunktet mit der Musik als solches. Und das war auch sehr gut so und wir glauben dass viele Zuhörer hinterher ihre Sun of the Sleepless-Sammlung aktualisiert haben. Daumen hoch für den erfreulichen Beitrag von Sun of the Sleepless!

Nun war es an der Zeit für den „Metal“-Auftritt von Dornenreich. Obwohl schon 23 Jahre alt, ist ihr Album „Her von welken Nächten“ immer noch bis heute ein maßgebliches Album in der BM / avantegarde Szene. Ähnliches gilt für die Vorwerke „Bitter ist´s dem Tod zu dienen“ und „Nicht um zu sterben“. Ihren Kultstatus völlig ausnutzend (berechtigterweise) haben Dornenreich hier mächtig abgeliefert. In weiser Vorausschau hat hier bereits der Headliner des Festivals gespielt. Auch wenn zu der Zeit Dornenreich kontrovers aufgenommen wurden, hat sich durch den überwältigenden Zuspruch hier gezeigt dass sie sich jenseits von BM-Satanismus/Nihilismus/Kirchenbrand-Attitüde sich einen festen Status in der Szene erobert haben und diesen auch nicht mit ihren Akustik-Werken verspielt haben. Die in hellem Licht präsentierten Szene-Klassiker haben bis in die letzten Winkel der Halle jeden erreicht und mitgerissen. All the points go to Dornenreich!

Nach Dornenreich hatten es Lucifers Child als gesetzter headliner es doch schwierig den Vorgänger zu toppen. Das letzte Album „The Order“ der seit 2013 aktiven Griechen hat mittlerweile 6 Jahre auf dem stacheligen Buckel; die letzte split-Ep ist auch schon 2 Jahre alt. Doch trotz Ermangelung von brandneuem Material haben Lucifers Child durch präzises Zusammenspiel zwischen Musik und lightshow und einer stets bewegungsfreudigen Darbietung die Zuschauer als finaler Act des Festivals nochmal motivieren können. Die erstaunliche Professionalität der Band hat überzeugt von Anfang bis Ende und die nicht überlangen Songs mit dem typisch griechischen Riffing konnten die Zuschauer bis zum Finale in Atem halten.


 

PUNKTE
Bewertung

Ein sehr gelungenes, fast internationales, Festival, dass über beide Tage viel abwechslungsreiche Musik in kultischer Location viel Spass gemacht hat. Hier hat alles gestimmt: Essen, Musik, Wetter und Stimmung. Die Security durfte in den Startlöchern verbleiben und kam nicht zum Einsatz. Die beiden Anlaufpunkte für das Kulinarische waren immer ausreichend mit freundlichen Menschen besetzt und auch das stage management hat keine Verzögerungen im Ablauf zugelassen. Leider war nicht ausverkauft aber wir gehen fest davon aus dass das Interesse groß genug war um auch 2025 und darüber hinaus die WalpurgisNacht als feste Größe für den underground zu etablieren. Wir sehen uns!

Starduster

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