11.-13.09.2025 - Prophecy Fest 2025, Balver Höhle + Moonspell + Myrkur + Enslaved +++
Review

11.-13.09.2025 - Prophecy Fest 2025, Balver Höhle + Moonspell + Myrkur + Enslaved +++

Auch 2025 wurde die Balver Höhle im nordrhein-westfälischen Sauerland wieder Austragungsort des berühmten Prophecy Fests, welches mit wenigen Ausnahmen Jahr für Jahr seit nunmehr 10 Jahren in der beschaulichen Konzertstätte stattfindet und die Künstlerinnen und Künstler des besonderen Labels Prophecy Productions abbildet. Aber es gibt auch immer wieder besondere Gäste auf der Live-Bühne zu sehen: In diesem Jahr waren neben den üblichen Verdächtigen Arthur Brown, The Vision Bleak und Dornenreich u.a. auch Moonspell, Enslaved und Myrkur dabei.

  • von Haimaxia
  • 23.11.2025
Zwischen Nostalgie, Ritual und Stillstand

Das Prophecy Fest in der Balver Höhle ist seit Jahren kein normales Festival mehr – es ist ein Refugium, ein Familientreffen, eine Pilgerstätte. Ein Ort, an dem die Zeit langsamer tickt, die Schatten länger sind, und die Musik nicht bloß gehört, sondern aufgesogen wird. Auch 2025 gelang es den Veranstaltern, diese Magie zu beschwören – dennoch war deutlich spürbar, dass etwas fehlte: Das komplette Sold Out blieb dieses Jahr aus, und irgendwie lag das nicht allein an den Wetterbedingungen, sondern auch an einer gewissen Bühne der Erwartungen, die nicht alle Acts erfüllten. In unserem Team und Bekanntenkreis kursierte dieses Jahr gar die Meinung, dass man dieses Jahr skippen wolle, da keine besonderen Programmpunkte zu finden seien. Ja, es gibt Wiederholungen und Bands im Billing, die mittlerweile jedes Jahr oder jedes zweite Jahr dort performen - aber ist das problematisch? Für diejenigen, die ihr Geld zusammenhalten wollen, schon.

Donnerstag: Prophetic Ouverture im Schlamm

Der Auftakt am Donnerstag war in traditioneller Weise die Prophetic Ouverture auf dem Außengelände – und diesmal ein wenig schlammiger als sonst. Der Regen hatte zuvor seinen Tribut gefordert, das Gras war matschig, das Konzept der gelösten Festivalromantik geriet gelegentlich unter Druck. Doch das tat dem Zauber keinen Abbruch.

Gänzlich unaufgeregt, aber mit großer Herzlichkeit, spielten die Belarussen Dymna Lotva ein Akustik-Set, das die rohe Schönheit ihrer melancholisch-düsteren Songs über den Plan vor der Höhle übertrug. Ihre Vorliebe für depressive Melodien passte überraschend gut in die Regen-Szenerie des Abends. Im Vorfeld traten u.a. Vrîmuot und Wolcensmen auf – mit Lagerfeuerromantik, Freibier und weichen Stimmen, die selbst im nassen Gelände Wärme spendeten. Für viele war dieser Beginn wie eine Einweihung: nicht laut, ging aber tief.

Freitag: Höhepunkte zwischen Legenden und Geheimtipps

Am Freitag betraten zunächst Kall die Bühne, die aus der Asche von Lifelover entstanden sind. Besonders berührend war: Sie spielten am Freitag ihre eigene Stücke, aber am Samstag ein spezielles Set mit Songs ihres früheren Projekts – eine Hommage an das Erbe, das sie tragen. Sänger Kim Carlsson ließ die altbekannte Verzweiflung wieder aufleben, aber nicht nostalgisch, sondern als etwas Bebendes, etwas Lebendiges, das weitergeht. 

Antimatter und Darkher (Letztere gleich mit zwei Sets, einmal gewohnt mit dissonanten Gitarren und einer gewissen Schwere, einmal akustisch) brachten stille Schönheit, spirituelle Einkehr und sanften Schmerz – ein Gegenpol zur wuchtigeren Metal-Front. Aber auch The Vision Bleak ließen nicht locker: Sie spielten „Carpathia (A Dramatic Poem)“ in voller Länge, inklusive Hommage an H. P. Lovecraft – so sehr, dass man fast glaubte, die großen Alten selbst würden in den Höhlengang schauen.

Myrkur, eine Künstlerin, die gerne polarisiert und in Szene-Kreisen mitunter gemischt aufgenommen wird, war für uns einer der großen Überraschungspunkte. Ihre Mischung aus Black Metal und atmosphärischen Einsprengseln wirkte in der Balver Höhle noch intensiver als auf Platte – eine dunkle, ätherische Präsenz, die das Publikum spaltete, aber nicht kalt ließ. Vor allem schön endlich mal nicht nur ihre Akustik-Performance rund um das Album "Folkesange" zu sehen, sondern eben auch ihre härteren Stücke zu hören zu bekommen. Was allerdings auffiel, war Folgendes: Wer von den Metal-Stücken Myrkurs einige ältere Pieces kennt, wartete in der aktuellen Liveshow vergebens auf Growl-Gesang, was leider Stücke wie "Ulvinde" ziemlich in ihrer Vehemenz abschwächte. Schade!

Myrkur / Anna Apostata

Zum Finale des Freitags betraten Enslaved die Bühne und lieferten eine Performance, die für viele aus unserem Team zu den stärksten Momenten des Fests gehörte: Ein Set, das ganz im Zeichen ihrer ersten EP “Hordanes Land” stand – roh, episch, archaisch, und doch mit modernen Knicken. Es war, als hätte die Band eine Brücke geschlagen zwischen ihrer Vergangenheit und der Höhle als Kathedrale. Nostalgisch und stark!

Enslaved / Anna Apostata

Samstag: Von Ruhe und Donner

Der Samstag begann ungewöhnlich früh mit den Akustik-Shows von Darkher und Dornenreich. Letztere hatten zwar eine härtere Show angekündigt, die jedoch auf 2026 vertagt wurde – ein kleiner Wermutstropfen, aber auch eine Erinnerung daran, dass Prophecy kein reiner „Hit-Fest“-Zirkus ist, sondern ein Ort, an dem man sich Zeit nimmt. Aber für alle war der größere Moment der von Imha Tarikat: Sie stellten ihr neues Album „Confessing Darkness“ vor, ehrten Jürgen Bartsch von Bethlehem mit einem Video und ihrer emotional geladenen Performance. Der Sturm, den sie entfachten, war gleichzeitig Tribut und Befreiung. Ein Memorandum, das nicht nur den Verstorbenen ehrte, sondern uns daran erinnerte, dass die Fackel weitergetragen wird.

Direkt im Anschluss verwandelte Soror Dolorosa die Höhle kurz in einen Goth-Tanzclub: Batcave-Vibes, dunkle Wellen, pulsierende Melancholie — ganz anders als das vorherige Schauspiel, aber mindestens genauso stark. Die französische Formation, die Darkwave, Post-Punk und Gothic Rock miteinander verwebt, ließ die Höhle spüren, wie sehr dieser Sound in einem Raum voller Schatten wirken kann. Sänger Andy Julia führte die Band mit einer theatralischen Präsenz, die an klassische 80er-Einflüsse, aber zugleich an moderne Goth-Ästhetik erinnerte; treibende Tracks wie “Tear It Up” und “You’re Giving Me” setzten wiederholt elektrische Akzente im Publikum und hatten mehr als einmal einige Besucherinnen und Besucher dazu gebracht, sich den typischen Schwarze-Szene-Dance-Moves hinzugeben — Sonnenbrillen inklusive, selbst indoor. In manchen Stimmen war allerdings auch zu hören, dass der Mix vor Ort nicht immer optimal war: stellenweise drängten sich die elektronischen Elemente und Effekte zu sehr in den Vordergrund, während Basslinien und Gitarren etwas verloren gingen — ein Wermutstropfen, der aber der Qualität der Songs selbst nichts nahm

Dann Kall — oder besser: das, was von der Legende Lifelover lebt und weiter atmet. Die skandinavischen Schicksalsverwandten nahmen die Bühne mit einer Ernsthaftigkeit, die sich nicht in plakative Dramatik verlor, sondern in ein bewusstes, schweres Atmen zwischen den Songs. Diese Performance war nicht einfach ein weiterer Gig — sie war eine Art kollektive Erinnerung, ein Echo auf einer Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Mit Klassikern wie “Androider” und “Major Fuck Off” vom Dekadens-Album, “M/s Salmonella” und “Nackskott” vom Pulver-Werk oder “I Love (To Hurt) You” von Erotik erschufen sie eine Atmosphäre, die zugleich vertraut, dunkel und faszinierend neu wirkte. Besonders bemerkenswert war die Bühnenpräsenz von Sänger Kim Carlsson: Seine Mimik, Gestik und jene fast ekstatischen Tanz- und Springeinlagen brachten eine Energie in die Höhle, die den selbstzerstörerischen Themen der Songs eine körperliche Entsprechung verlieh. Jeder Moment, in dem er sich scheinbar seiner eigenen Interpretation des Materials hingab, fühlte sich an wie ein kleines Ritual — kein bloßes Performen, sondern ein intensives, unmittelbares Erleben des Materials.

Kall (Lifelover) / Anna Apostata

Von alten Männern und Wölfen

Arthur Brown ist zwar kein junger Wildfang mehr, seine Show hatte aber trotzdem diesen charmanten Exzentrik-Touch, den man bei ihm schätzt. Für viele war es ein nostalgisches Highlight – für diejenigen, die die Auftritte der letzten Ausgaben erlebt hatten, leider kaum noch Sensation. Das eigentliche Highlight des Abends waren zweifellos Moonspell: Die Portugiesen lieferten eine Jubiläumsshow zu „Wolfheart“, das Album nahezu komplett, und dennoch wirkte das Ganze hier eben nicht nur nostalgisch. Kein alleiniges "Wiederauflebenlassen" der alten Stücke, um ein Special Set zu rechtfertigen Denn ja, dieses Prophecy Fest stand bei einigen Bands unter der Standarte "wir spielen ein bestimmtes, besonderes Set und lassen Album XY erneut erklingen". 

Unser Team war sich einig: Warum hört man sich nicht viel mehr aus der "early era" der Band an, warum erklingt nicht mehr aus ihrer Diskografie vor 2000? Stücke wie „Tenebrarum Oratorium“ aus der ersten EP von 1994, "Under The Moonspell", hatten so viel Gewicht, so viel dunkles Flair — und genau dieses „I worship thee … for they are my weapons to hurt god“ blieb als eingängiger, bedrohlicher Refrain im Gedächtnis. Außerdem wurden nicht nur Wolfheart-Songs gespielt: Titel von „Irreligious“ (1996) wie „Opium“ oder „Full Moon Madness“ fanden ihren Platz, was dem Set Tiefe und Breite gab. Die Videoprojektionen im Hintergrund waren oft mit Lyric-Videos angereichert – eine clevere Idee, doch leider fielen manche Animationen billig aus, als hätte man an CGI gespart. Doch in der Höhle, unter diesen steinernen Bögen und mit dem Echo der Fans, wurde jeder Ton zu etwas Großem.

Moonspell / Anna Apostata

Ein Fazit: Erfolg oder Stillstand?

Das Prophecy Fest 2025 war in vielerlei Hinsicht ein „Fest der besonderen Sets“. Ein Festival, das auf Tradition setzt, aber zugleich kleine Risiken eingeht. Ja: Der Andrang war spürbar geringer, vielleicht weil das Line-up weniger reißerisch war als in einigen Vorjahren. Aber die Qualität der Shows war hoch, und es gab öfter diese Momente, in denen man dachte: „Das ist es, wofür wir hier sind.“

Es war nicht das spektakulärste Prophecy Fest aller Zeiten — es war ein Fest, das leise, aber bestimmt seinen eigenen Kern verteidigte. Zwischen Lagerfeuer und Höhlenfels, zwischen Goth-Tanz und Black-Metal-Ritual. Ein Blick ins Jahr 2026 verspricht schon jetzt nicht minder viel Herzblut, auch wenn hier bereits Stimmen laut werden, die auch bei dem jetzigen Stand sagen, dass es keine Überraschungen gäbe.

Wir von undergrounded.de sind dankbar, dass wir wieder Teil dieses Abends sein durften. Die Veranstalter verdienen ein Lob: Nicht für bloßes Organisieren, sondern für das Bewahren. Und für das Vertrauen darauf, dass diese Höhle mehr sein kann als nur Bühne — sie kann Zuflucht sein, Refugium, Erinnerung.

Bericht: Haimaxia

Fotos: Anna Apostata

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Haimaxia

He whispers, when the demons come. Do you make peace with them or do you become one of them?

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