08.-10.12.2022 De Mortem Et Diabolum
Review

08.-10.12.2022 De Mortem Et Diabolum

„Berlin: Immer eine (Ab)Reise wert“...das mag so manch einer denken, der sich an einem grauen Dezembertag in die Hauptstadt verirrt. Und tatsächlich drohte das geballte Maß urbaner Tristesse auch den Verfasser dieses Berichts kurzzeitig zu übermannen - und das als bekennender Amesoeurs Fan, da hätte ich mich schön geschämt. Aber für Selbstgeißelung blieb wenig Zeit, schließlich hatten Tod & Teufel in Form der 8ten Ausgabe des DE MORTEM ET DIABOLUM geladen und so hieß es Schluss mit lustig und rein ins Vergnügen.

  • von Ghostwriter
  • 25.12.2022

Autor: Gerald Kaiser

Denn bereits am Donnertag eröffnete mit Sumerian Tombs direkt einer der Newcomer 2022 den tiefschwarzen Reigen, deren Auftakt man allein deswegen verpasste, weil es erstmal den Eingang in den gruseligen Siebenstöcker namens Orwohaus zu finden galt. Nachdem unterkühlte, spärlich beleuchtete Betonflure aber offensichtlich nicht den Weg Richtung Konzertsaal wiesen, versuchten wir es auf der Vorderseite des Gebäudes erneut und siehe da, nach einem kurzen Check-In und wenigen Schritten fand man sich direkt vor der Bühne wieder. Und dort legte das bereits erwähnte Quintett mit seinem dichten, atmosphärischen Sound quasi direkt die Marschroute für den Rest des Festivals fest, in dessen abwechslungsreichem Billing sich praktisch alles wiederfand, das aktuell zu Recht einen respektablen Ruf genießt. 

Und so ging es mit Verheerer direkt hochkarätig weiter, die mit ihren teils monströsen Riffgewittern den Weg für die sich anschließenden Beltez ebneten, welche die Intensität ihres exzellenten 2020er Album „A Grey Chill...“ problemlos auch vor Publikum reproduzieren konnten. Doch nicht nur für die Black Metal-Enthusiasten war gesorgt. Mit (Dolch) schlug der Abend nachfolgend auch eine wunderbar sphärische Note an, wobei sich die Band durch eine angenehm ausgewogene Werkschau spielte, die zumindest bei diesen Anwesenden keine Wünsche offen ließ. Der aufmerksame Zuschauer wird auch festgestellt haben, dass die Band für einige Songs Unterstützung des Gitarristen von The Ruins Of Beverast  bekamen, was den Auftritt bereicherte und den Sound durch eine weitere Gitarre voller und interessanter gestaltete. In wie weit es im Anschluss noch den Auftritt von Attic als Tagesabschluss brauchte, das wurde in der Vorhalle nachfolgend zwar angeregt diskutiert, ein kurzer Blick Richtung Bühne machte aber deutlich, dass der gekonnte „Mercyful-Diamond“-Worship der Band immer noch genug Leute an Ort und Stelle hielt.

Die „Silent Hill“-mäßige Nebelschicht, die sich am Freitag über das winterliche Marzahn gelegt hatte, wollte am Folgetag erst keinen rechten Tatendrang aufkommen lassen, weshalb Burial und Selvans ihr Ding ohne unsere Anwesenheit durchziehen mussten. Bereits anwesende Informanten ließen auf die Gigs beider Bands im Nachgang aber kein böses Wort kommen - ganz im Gegenteil, was uns beruhigt zu Nornir springen ließ, die laut eigener Aussage nur semi-zufrieden mit ihrer eigenen Performance waren, an dieser Stelle aber keine Kritik hören werden. Der Trupp um Frontfrau Lethian liefert selbst an seinem schlechtestes Tag noch grundsouverän ab. Die Schotten von Fuath aus dem Saor-Umfeld schickten sich anschließend an, mit ihrem eher atmosphärischen Material aufzutrumpfen, konnten aber zumindest bei mir keinen wirklich Stich landen, denn kompetent, aber zu beliebig wirkte das Ganze. Doch um zu zeigen, wie unverwechselbar geht, dafür hatte man ja im Anschluss The Ruins Of Beverast ins Billing gesetzt, die an sich immer die Zeit wert sind, für diesen Auftritt das Gaspedal aber offenbar im Proberaum gelassen hatten, weswegen sich die Dinge im Verlauf etwas zu ziehen begannen. Ein echtes Highlight brachte aber der Gastauftritt von (Dolch)-Frontfrau M, die eine interessante neue Facette zum - man möchte schon fast sagen - Signature-Sound der Band hinzufügte.  
Die Meisten schien das ziemlich doomige Set dabei zwar nicht zu stören, ich hätte mir aber doch die ein oder andere Uptempo-Walze aus den Anfangstagen des Projekts gewünscht. 

Wer musikalisch nochmal den Kopf abgerissen bekommen wollte, der musste sich jetzt  nicht enttäuscht trollen, denn für das Finale des zweiten Festivaltages wurde das ziemlich amtliche Tour-Triumvirat Theotoxin / Whoredom Rife / Archgoat verpflichtet, von denen speziell erstere diese Aufgabe absolut ernst nahmen. Und so ließ sich Theotoxins Ragnar auch nicht durch seine aufgerauten Stimmbänder ausbremsen und peitschte das Publikum, trotz angeschlagener Gesundheit, immer wieder an, als gelte es im Alleingang auch den letzten im Saal noch mit einzubeziehen. Manch einen mochte dieses Maß an Extrovertiertheit dabei irritieren, erstens gab es aber wirklich mal Zeiten, in denen sich am Mikrofonständer festkrallen noch nicht die tolerierte Norm war, und zweitens boten Whoredom Rife im Anschluss auch wieder genug Gelegenheit sich an gewohnter Distanziertheit zu laben. Distanziertheit, die hin und wieder durch wütende Abstecher des Sängers an die Front Row unterbrochen wurde. Und so gesehen passte die Performance der Norweger zu ihrem Material, das sich nicht arm an Abwechslung und Atmosphäre zeigt, allerdings immer ein bisschen losgekoppelt von allem wirkte.

Auf den folgenden Hackblock von Archgoat hatten sich offenbar nicht wenige gefreut, ich selbst nahm den Auftritt aber nur peripher wahr, da der x-te Versuch der Annäherung an das Material der Finnen auch an diesem Abend erfolglos blieb. Allein der Blick auf das vor Ort zur Schau getragene Merch ließ mich aber beruhigt feststellen, dass die Band auch weiterhin ohne meinen Applaus würde auskommen können.

Nach einer bitterkalten Nacht empfing Berlin seine Gäste am Samstag zur Überraschung aller mit strahlendem Sonnenschein... ist natürlich Blödsinn! Zum mittlerweile lieb gewonnenen grau in grau gesellte sich zur Abwechslung aber nun auch Schnee, der den letzten Tag des DMED äußerst stilecht einleiten sollte. Und nachdem wir Horresque, die mit ihrem Debüt „Chasms Pt. I...“ zumindest auf Tonträger überzeugen konnten, aufgrund der unchristlichen Nachmittagsstunde erstmal konsequent verpassten, stand mit dem abgründigen Sound der Briten von Fvnerals dann auch direkt das musikalische Strafgericht an. Und ich weiß nicht, was es ist, aber grimmiger Lava-Doom, kombiniert mit einer ätherischen Frauenstimme, wird bei mir immer einen Stein im Brett haben. Das gilt im übrigen auch für gelebte finnische „mir doch egal“- Attitüde, ganz so wie Havukruunu sie anschließend zelebrierten und sich dabei auch von kleineren technischen Schwierigkeiten nicht die Laune verhageln ließen. Aber was soll auch Musiker schrecken, die farbenfrohe Suomi-Strickwaren zu ihren favorisierten Bühnenoutfits zählen, musikalisch hatte der urige Haufen mit seinen folkloristisch angehauchten Krafthymnen ohnehin alle Sympathien auf seiner Seite!

Es ist schon klar, Black Metal ist anti und außerdem stecken wir mitten in der Grippesaison, zu tief in Opas Hustensaftflasche zu schauen ist aber spätestens dann keine gute Idee, wenn man dann noch irgendwann auf die Bühne muss. Und so hatte der Streams Of Blood-Fronter auch schon die runden Schuhe an, als sein Trupp nunmehr an der Reihe war, was seine Crew zwar nicht davon abhielt, ein derbes Old School-Brett in die Menge zu pfeffern, dem Ganzen aber dennoch einen gewissen Beigeschmack gab. Dem Gesamteindruck tat dies jedoch keinen Abbruch, nach welchem sie ohne Zweifel einen gehörigen Abriss hinlegten und Eindruck hinterließen.

Apropos Geschmack: Diesen hatten die Organisatoren im wiederum positivsten Sinne mit der Buchung von Sylvaine bewiesen! Deren zarte Melancholie bot etwa auf Halbzeit des Abends nicht nur einen wunderbaren Farbtupfer, mit ihren teils entspannten, teils treibenden Songs verschafften sie meinen, zu dem Zeitpunkt schon gut geforderten, Ohren auch eine willkommene Abwechslung.

Um so angezaubert aber nicht gleich alle Man-Cards auf einmal abgeben zu müssen, galt es sich anschließend dem Brachialkommando von Dead Congregation zu stellen, eine Aufgabe, der sich ein beachtlicher Pulk vor der Bühne offenbar nur zu gern annahm, mich allerdings zum letzten Mal an diesem Wochenende dem freundlichen Team an der Essensausgabe für eine finale Senfnatter mit Brötchen entgegen trieb.

So gestärkt konnte man sich dann auch auf die mittlerweile auf den Punkt inszenierte Aufführung von Schammasch konzentrieren. Und selbst wenn manch einer hier das Fehlen eines spontanen Elements bemängeln mochte, so hielt ich auch dieses Mal dagegen, dass der sich in Wellen aufbauende, orthodoxe Stil der Schweizer kein exzessives Gepose, sondern das Ritual braucht - und dieses folgt traditionell nun mal gewissen Regeln.

Freunde des „Blut & Chaos“-Ansatzes gingen aber trotzdem nicht leer aus, denn als Abschluss des Abends und des Wochenendes standen die französischen Urgesteine von Seth auf der Tanzkarte und die hatten, neben reichlich Messerwerk, roter Suppe und einer Freiwilligen für das anberaumte Opferritual, auch ihr starkes '21er Album „La morsure du Christ“ im Gepäck, das man inbrünstig in die Menge blies, welche das mit überdeutlicher 90er Synth-Schlagseite versehene Material mehr als ordentlich abfeierte. 
In wie weit der eigens engagierte Soundmann der Band die Dinge nun besser machte, in dem er die Regler für seine Jungs nun nochmal auf 11 drehen musste, darüber mag man streiten. Dass der Kollege von Irsins Sound, der ansonsten den Großteil des Festivals über verlässlich abgeliefert hatte, über den etwas früher eingeleiteten Feierabend nicht traurig war, das war jedoch klar erkennbar... wie die meisten anderen nach den zurückliegenden drei Tagen sichtlich geschafft, aber zufrieden wirkten.

Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass sich das De Mortem Et Diabolum seines guten Rufs, den man sich in den letzten Jahren aufbauen konnte, durch die Bank weg als würdig erwies. Und so war das Fehlen eben selbiger, um gelegentlich die müden Knochen auszuruhen, auch der einzige bescheidene Kritikpunkt, der mir rückblickend in den Sinn kommt. Darüber hinaus präsentierte sich dieses kleine, straff organisierte und hervorragend besetzte Event aber absolut überzeugend und wird meine Wenigkeit damit sicherlich auch nicht zum letzten Mal gesehen haben!

PUNKTE
Bewertung
Ghostwriter

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