In diesem Jahr feierte das wohl finsterste Black Metal-Live-Event, das UTBS, sein silbernes Jubiläum. Zum 25. Mal trug das Brandenburger Festival das Beste aus dem Genre zusammen und hatte dementsprechend aufgefahren - dieses Jahr durfte die Besucherschaft fast ausschließlich Bands live erleben, welche noch nie zuvor Teil des Under The Black Sun waren.
Es gibt wenige Events, die über eine so lange Zeit Bestand - und sich dabei eine eigene Seele behalten haben. Auch im Jahre des Horns 2024 traf man sich wieder in Friesack, einem kleinen Örtchen nordwestlich von Berlin im schönen Havelland, um über drei Tage auf der Freilichtbühne die dunklen Künste zu zelebrieren.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Dieses Jahr waren die Wettergötter den Darbietungen weitgehend wohlgesonnen und haben dem Geschehen nur zwei kurze, aber kräftige Regenschauer beschert und gewährten abseits davon einen stets warmen und schnell wechselnden Mix aus Sonne und Wolken.
Nach einem halbstündigen Weltuntergangsstürmchen mit Seitwärts-Regen wechselte der Himmel überpünktlich zum Opener Frosted Undergrowth von schwarz zu blau und brachte den Sommer nach Friesack. Die Opener machten nicht nur eine exzellente Figur on stage -unser Team war überzeugt, dass Frosted Undergrowth eine Bühne dieser Größe sogar sehr gut zu Gesicht stand-, sondern konnten auch bereits eine große Menge aufs Gelände locken. Gerade erst erschien die neue EP "Cloak of Crimson" - in der Setlist wurden allerdings überwiegend die früheren Alben der Band bedacht. Die für viele noch wenig bekannte Band hat mit schnellem, abwechslungsreichem Black Metal, bei dem immer wieder schöne Melodien aufblitzen, einen sehr guten Einstieg abgeliefert. Schon jetzt auffallend die bedacht platzierte Bühne stets im Schatten, sodass Nebel- und Lichteffekte selbst schon bei der ersten Band etwas Wirkung entfalten konnten, was positiv zur Atmosphäre beigetragen hat.
Traditionell trumpft der Donnerstag als Warmup-Tag nicht mit den bekanntesten Bands des Festivals auf, sondern dient mehr als Showcase für diverse Underground-Perlen. Und der Plan ging auf!
Blutsturm, die als nächstes auf die Bühne traten, waren mit ihrem dichten, rasanten Gitarrensound, ihrem Drumgewitter und ihrer kontroversen Live-Show äußerst denkwürdig. In der Szene genießt die Band ohnehin einen berüchtigten Ruf als Geheimtipp, der in Ostdeutschland schon längst kein geheimer mehr ist. Mit Stücken wie “A Goat Penis In A Nun’s Cunt” und auch neuem Material entfesselte die Band aus Dresden eine wahre Wucht, die nur noch von ihren Show-Gimmicks unterstrichen wurde: Wie einem Tierherzen (mutmaßlich eines Pferdes oder Schweins) und auch dem besten Stück eines Tiers, welche im Publikum landeten, und auch einem Bengalo unterstrichen wurde.
Ob man es liebt oder hasst ist egal - schließlich schlossen Blutsturm mit ihrem Stück “Hate Us!!!” und machten es allen leicht, denen der Auftritt nicht schmeckte oder pietätlos vorkam. Black Metal der unbequemen Sorte - passend zur Musik. Letzte Worte von Frontmann Orpheus: “Fuck you”, gefolgt von einem Mic-Drop. Ein rundum fleischig-saftiger Auftritt, der in Erinnerung bleiben wird.
Mit Kilatus erreichte das Festival einen weiteren, ersten Höhepunkt: Die Band aus Malaysia räumte mit ihrem schnellen und melodischen Black Metal sehr gut ab und das Publikum ließ sich auch auf diese intensive Reise ein. Die Band entpuppte sich als gehörige Überraschung - nicht viele hatten den diesjährigen Exoten des Programms auf dem Schirm. Dabei reichen die Wurzeln der Bands bereits bis in die 90er Jahre zurück. Geschenkt, dass Malaysia ja nicht unbedingt das erste Land ist, das einem einfällt, wenn es um Black Metal geht - aber es dürfte nicht überraschen, dass der asiatische Raum durchaus einige Überraschungen in Gefilden extremerer Genres mit sich bringt.
Die Flaggen ihrer Heimat auf der Stage gehisst, ging es von Anfang an auf starkem Niveau los - mit Stücken wie “Thy Light After Several Thunder” (sic) oder “Northern Hordes of Evil Chaos” mit leicht skurrilem und charmant falschem Englisch in den Lyrics lieferten Kilatus jedenfalls einen starken Auftritt ab. Nur ein richtiges Album in 27 Jahren Bandgeschichte zu schaffen, zeugt auch von Black Metal-Esprit - so präsentierte die Band in Corpsepaint und mit eigenem kleinem Merchtable abseits des Festivalmerchs viele Pieces ihres Albums “The Return And Darkness It Shall Be”. Ansonsten kursieren nur Splits und Demos der Band, die man gerne im Auge behalten darf!
Aeon Winds haben im Gegensatz zu Kilatus schon eine ziemlich lange Liste von Veröffentlichungen vorzuweisen. So unterschiedlich diese Veröffentlichungen auch waren, so war doch mindestens das letzte Album "Night Sky Illuminations" auf jeden Fall ein gehöriger Anlass, der Performance der Slowaken erwartungsvoll entgegenzublicken. Und schnell wurde klar, dass Aeon Winds es auch live schaffen, ihren vielschichtigen Sound auf die Bühne zu bringen: versierte Musiker in Verbindung mit Spielfreude und spürbarer Motivation waren hier die zu nennenden Punkte, die dem Publikum Aufmerksamkeit und Zuspruch abverlangen konnten. Optisch ohne besonderes Bühnen-Outfit lag der Fokus klar auf der Musik, was völlig ausgereicht hat, die Zuschauer zu fesseln und über die gesamte Zeit bei der Stange zu halten.
Die nachfolgenden Krolok, ebenfalls aus Bratislava/Slowakei, waren, vereinfacht gesagt, Aeon Winds mit anderem Bassisten und etwas vertauschten Instrumenten. Musikalisch allerdings sind Krolok schon anders zu verorten: in der Hauptsache sind die eher schmissigen Gitarren und der viel tiefere Gesang zu nennen. Da, wo Aeon Winds episch und ausufernd sind, kommen Krolok viel deutlicher auf den Punkt und sind, wenn man so will, etwas einfachere Kost und haben den höheren kurzweiligen Unterhaltungswert.
Der etwas kauzige, slowakische Stil mit der "Heimat des Vampirs"-Thematik war ebenso eigentümlich wie charmant - und ein wenig Selbstironie konnte man der Band gewiss auch attestieren, immerhin trat Frontmann HV mit einem Umhang auf, in den er sich zwischendurch theatralisch hüllte. Das Publikum ließ sich sofort mit dem Charme einfangen und unser Team geht davon aus, dass Krolok mit diesen Auftritt einige Fans hinzugewonnen haben. Das mittlerweile schwindende Tageslicht war auch zunehmend der Atmosphäre zuträglich. Live ein Schmankerl!
Temple of Evil, die als letztes am Donnerstag auf der Bühne standen, profitierten von der Atmosphäre auf dem Gelände der Freilichtbühne Friesack: die angestrahlten Bäume, die das Gelände säumten, machten den Platz vor der Stage zu einem wahren Sündenpfuhl. Die okkulten Vibes der Zyprioten aus dem Hause Folter Records erwiesen sich als so einnehmend, dass man es kaum glauben wollte und dass man dankbar sein muss, dass Temple of Evil den Festivalauftakt ausklingen lassen durften. Einen ordentlichen Guss Behemoth oder Rotting Christ kann die Band nicht ganz von sich weisen, aber hat im Gegensatz zu der bekannten polnischen Black/Death-Band und den Griechen weniger Pomp und Show - gerade so dezent, dass sich ein hypnotisierender Sog einstellen konnte.
Nachdem man sich noch mit einigen bekannten Gesichtern ein Bier gegönnt hatte, fiel unsereins nach der langen Anreise in einen sanften Schlummer - in voller Vorfreude auf das starke Freitagsprogramm.
Fotos: Aen Vessah / Anna Apostata
Bericht: Starduster, Haimaxia, Phil