Unter dem Radar - Merlin (Stoner / Doom Metal)
Review

Unter dem Radar - Merlin (Stoner / Doom Metal)

Es ist immer wieder ein Genuss, den Einfluss der alten Haudegen Black Sabbath auch bei aktuellen, jüngeren Projekten zu sehen. Um das Gesamtwerk von Merlin aber adäquat zu beschreiben, reicht dieser Vergleich allerdings lange noch nicht aus - Grund genug, Merlin in unserer Rubrik UdR vorzustellen!

  • von Torn
  • 16.05.2021

Warum man Merlin nicht einfach beschreiben kann? Die Stoner/Doom-Truppe aus Missouri schafft üblicherweise vor Inhalt aus allen Nähten platzende Werke und man braucht viel Zeit. Seit 2012 musiziert das (mittlerweile) Sextett und hat seitdem satte fünf Alben, sowie ein Live-Album herausgebracht. Vor allem seit 2018 dürfen wir uns an einer hohen Produktivität mit einem Release pro Jahr erfreuen.

Schon mit dem ersten Album wurde klar, dass sich Merlin an verschiedenen Vorbildern orientieren, aber gleichzeitig eine sehr eigene Note einbringen. Thematisch bewegen wir uns –dem Namen der Band entsprechend– in einer magisch geprägten Gegend. Hier eine Prise Okkultes, dort eine Nuance Hexerei, zwischendrin wird auch noch mit dem Teufel gesprochen. Dabei präsentieren sich Merlin aber durchweg experimentierfreudig, spielten auf dem ersten Album etwa mit einem Theremin und ergänzten auf den letzten Scheiben unter anderem Orgel und Saxophon. Kombiniert mit den geradezu schwebenden Gitarrenklängen ergibt sich eine äußerst psychedelische Stimmung, wenngleich der musikalische Kern klar dem Doom Metal der 70er Jahre entspringt.

Mit den Alben „Electric Children“ (2016) und „The Wizard“ (2018) wurde dann ein weiterer großer Einfluss deutlich (obgleich er dies wohl schon lange war): Electric Wizard. Nicht nur die Riffs, auch die allgemeine Rhythmik erinnert doch häufig an die britischen Urgesteine aus dem gleichen Genre. Merlin versuchten sich in dieser Zeit auch an neuen Konzepten und produzierten unter anderem das 23 Minuten messende „Tales of the Wasteland“ („Electric Children“), welches sie 2018 auch auf ihrem Live-Album „Dank Souls and Dark Weed: A Live Experience“ zum Besten gaben und damit auch noch die letzten Kritiker überzeugten.

Die Jungs sprühen also vor Kreativität und füllen ihre fantasievoll konzipierten Alben mit unterhaltsamer Musik. Dabei bekommen einige Songs, nicht nur durch Orgel und Saxophon, einen fast schon orchestralen Klang und lassen vermuten, dass hinter der Band mehr als sechs Leute stehen. Diese Intensität und Dichte schlägt sich auch im letzten regulären Album „The Mortal“ (2019) nieder, welches weiter unten etwas genauer ins Auge gefasst wird. Zuvor sei noch gesagt, dass Merlin mit „The Revenger“ Ende Februar eine neue Single herausgebracht haben und sich damit augenscheinlich in Richtung Synth-Pop weiterentwickeln. Ob dieser Trend auf einem Album fortgesetzt wird, steht jedoch noch nicht fest. Es bleibt also spannend.

Aktuelle Besetzung

Joey Hamm – Bass

Chase Thayer – Bass, Gitarre

Caleb Wyels – Drums

Carter Lewis – Gitarre, Keyboard, Orgel

Jordan Knorr – Vocals

Stu Kersting – Gitarre, Saxophon

 

Diskographie

2012 - Wrinngarth (EP)

2013 - Merlin (Album)

2013 - Sermons of the Dead (Split mit Black Majik Acid)

2014 - Christkiller (Album)

2016 - Electric Children (Album)

2018 - The Wizard (Album)

2018 - Dank Souls and Dark Weed: A Live Experience (Live)

2019 - The Mortal (Album)

 

Review zu “The Mortal”

Die einleitenden Worte lassen nun natürlich vermuten, dass „The Mortal“ gleich wie ein Feuerwerk beginnt, dem ist aber nicht so. Eher im Gegenteil: Startet die Scheibe doch mit einem sehr entspannten Intro, und so hält die anklingende Harmonie auch bis ins erste vollwertige Stück „Tower Fall“ an und man geht es damit langsam an. 

Kenner der Band werden das Stück vielleicht vom ersten Langspieler wiedererkennen. Dort erschien „Towerfall“ in nahezu gleicher Spielweise und -länge, jedoch ohne Gesang, Orgel und Saxophon. Die moderne Variante ist also vielschichtiger und eröffnet damit den Reigen von „The Mortal“.

Merlin haben sich hier einiges vorgenommen, wie auch der dritte Titel „Chaos Blade“ zeigt. Während eine Gitarre den Rhythmus mit vorgibt, fabriziert die andere – gemeinsam mit den beiden klassischen Instrumenten – ein Melodienfeuerwerk, das seinesgleichen sucht. Ein wiederkehrendes Muster lässt sich dabei aber schwer erkennen, das Lied besteht nämlich überwiegend aus Soli. Diese sind allerdings qualitativ sehr hochwertig und ergeben, zusammen mit Blasinstrument und Tastenspiel eine fast schon jazzige Atmosphäre. „Ashen Lake“ schafft anschließend den Übergang von der experimentellen Phase des Albums zur etwas eingängigeren.

Diese startet dann auch fulminant mit dem ohrwurmträchtigen „Mindflayer“, welches auch aus der Feder bekannter Stoner-Bands entsprungen sein könnte. Sowohl Rhythmus, als auch Melodie und Gesang fügen sich hier zu einem wahren Hit zusammen, der sogar mit einer Art Refrain aufwartet. Merlin brechen also etwas mit der verspielten Musik der ersten Songs und werden hier etwas geradliniger. Diese Spur wird aber nur kurz gehalten, denn „Basilisk“ klingt schon wieder ganz anders und gar nicht mehr so alltäglich. Die abgehackten Takte haben etwas von Zirkusmusik, die Melodik erinnert an einen Leierkasten. Was vorher tragend und erhaben war, bekommt hier den Charakter von Kammermusik, ist aber mindestens genauso unterhaltsam. Der Song hat mit Sicherheit den größten Wiedererkennungswert auf „The Mortal“.

Aber wir sind noch nicht am Ende und dürfen uns vorm letzten Song noch über das knapp fünfminütige Interludium „Metamorphosis“ freuen, welches zu den gemächlicheren Klängen der anfänglichen Songs zurückkehrt und die zuletzt aufgebauten musikalischen Kanten abrundet. „The Mortal Suite“ am Ende der Platte verbindet dann zu guter Letzt die Elemente seiner Vorgänger; es beginnt ruhig, wird im Mittelteil catchy und abermals jazzig und dreht in den letzten Minuten noch einmal voll auf. So entfaltet sich der anfangs angesprochene orchestrale Charakter von Merlin auch auf dieser Platte in seinen verschiedenen Facetten, und das macht einfach unfassbar Spaß!

Trackliste:

01. Prologue
02. Tower Fall
03. Chaos Blade
04. Ashen Lake
05. Mindflayer
06. Basilisk
07. Metamorphosis
08. The Mortal Suite

9
PUNKTE
Bewertung

Merlin überraschen an allen Ecken und Enden, nicht nur auf "The Mortal". Was an dieser Scheibe besonders heraussticht, das ist der rote Faden, der epische Mantel, in dem das Album erscheint. Merlin erzählen eine Geschichte und dabei gibt es viel zu entdecken. Und wer sich auf diese Reise nicht mitnehmen lässt, verpasst einen fantastischen Trip!

Band

  • Merlin

Album Titel

  • The Mortal

Erscheinungsdatum

  • 23.08.2019
Torn

Kommt Zeit, kommt Unrat.

+