15.12.2023 - Winter Depression, Schlegel Club Bochum - Isla Ola + No Love Lost + Die Tödin
Review

15.12.2023 - Winter Depression, Schlegel Club Bochum - Isla Ola + No Love Lost + Die Tödin

Am 15. Dezember fand im Schlegel Club in der Ruhrgebietsstadt Bochum zum ersten Mal die Winter Depression statt - das Goth- und Grufti-Event bot neben der etablierten We Are Stranger-Party auch einige regionale Live-Acts im Bereich Post Punk, Darkwave und Electro auf der Bühne und bildete damit einen weiteren Pfeiler des Szene-Undergrounds in NRW ab.

  • von Haimaxia
  • 21.12.2023

Auf der Bühne gab es an diesem Abend drei Konzerte zu sehen, die in der schwarzen Szene -vor allem in NRW- wahre Geheimtipps abbilden: Nicht nur gab es mit der Solo-Künstlerin Die Tödin einen exzentrischen, waschechten Trve Darkwave-Deepdive zu erleben - nein, mit den zwei Bands No Love Lost aus Bochum und Isla Ola aus Dortmund gab es auch emotionalen und düsteren Post Punk, sowie Cold Wave auf die Ohren. Letztere bildeten den kurzfristigen Ersatz für die ursprünglich geplanten Inseln aus Münster.

Präsentiert von Sonic Centurion wurde der Einlass mit 22 Uhr angegeben, der Beginn war um 23 Uhr angepeilt und somit sollten die Live-Acts die Party in den Katakomben tief in die Nacht begleiten. Aber damit nicht genug: Neben den drei Underground-Acts aus dem Herzen der Schwarzen Szene wurden die Wände des Clubs auch noch mit einer künstlerischen Facette aufgewertet und mit einer kleinen Vernissage von uglyblackwork und laughing.abyss stellten gleich zwei Kunstschaffende Artworks und Werke aus, welche die Gäste auf den Gängen des Clubs zu Gesicht bekamen. Sonic Centurion hatte zudem einen kleinen Tape-Stand.

Impressionen / Frida Nordlys

Die erste Ausgabe der Winter Depression ist nun Geschichte - werfen wir nun also einen kleinen Blick zurück auf den Abend: Zunächst durfte man sich freuen, da die Veranstalter mit einem so großen Andrang, auch an der Abendkasse, nicht gerechnet hatten - mit einer der Gründe, warum das musikalische Programm verspätet startete. Den Anfang machten mit leichter Verspätung die Bochumer No Love Lost, welche die kleine Bühnennische im Vorfeld mit Vorhängen und Teppichen geschmückt hatten. Die Band, die sich 2015 als Joy Division-Coverband gegründet hatte und deren Name ja auch einem der Joy Division-Klassiker entlehnt worden war, präsentierte sich gegen halb 12 und stellte neben Stücken, welche Fans der Band schon bekannt sein durften, auch mit “Only Lovers Left Alive” und “Summer & Fall” neues Material vor.

Frontmann und Co-Veranstalter Benni punktete mit seinen charismatischen Ansagen und seinen Vocals und das Quartett lockte als Opener eine beachtliche Menge an Gästen vor die leicht erhöhte, aber immer noch fast ebenerdige Bühne des Schlegel-Clubs. Ihre bisher einzige EP wurde 2019 im Druckluft Oberhausen als Live-Auftritt eingespielt - gerade dynamische Pieces daraus wie “Blood” oder “Afraid of everyone”, welche die Band schon lange im Repertoire hat, kommen nicht nur extrem catchy daher, sondern laden in ihren Höhepunkten auch zum Tanzen und Abgehen ein. Das Publikum dankte mit einem langen Applaus.

No Love Lost / Frida Nordlys

Isla Ola präsentierten sich und ihre mal minimalistische, mal treibende Electro- & Post Punk-Musik vor kahleren Wänden und das Duo verschwand immer wieder in dichten Nebelschwaden, Strobolicht und Dunkelheit. Die markante Stimme von Jesmari und die melancholischen, zumeist deutschsprachigen Lyrics der Band zogen von erster Sekunde an in den Bann. Bei manchen Stücken mischte sie sich gar ins Publikum selbst, ehe sie wieder auf die Stage trat, mal griff sie selbst in die Saiten, mal war sie nur am Mikro zu hören. 

Bei Isla Ola führt die gewollte Monotonie in den Vocals zu einem immersiven Sounderlebnis - gerade bei Stücken wie dem neuen “Wo willst du hin” oder “Augen Körper Herz” vom 2021er Debüt “Nebelmond” wurde das deutlich. Irgendwo zwischen Lebanon Hanover, Clan of Xymox und Guerre Froide kreieren Isla Ola aber ihre ganz eigene Vision vom Coldwave-inspirierten Sound, der tief in die 80er zurückreicht. So wurde der Gig auf der Winter Depression zu einem soghaften Erlebnis, welches in der Kulisse des Schlegel-Kellers und den kalten Fliesenwänden hinter den Musikern einiges für sich hatte.

Isla Ola / Frida Nordlys

Die Tödin hatte sich im Jahr 2023 im Underground der Schwarzen Szene mit vielen kleinen Club-Shows und ihrer teils verschrobenen, doch stets hingebungsvollen und oldschooligen Art als intensiver Solo-Act einen Namen machen können. Die Musikerin aus Gelsenkirchen scheidet dabei aber auch die Geister, wie wir in aller Deutlichkeit wahrnehmen konnten: Die einen lieben die Retro-Attitüde, die gut und gerne an den Neue Deutsche Welle-Charme oder an Künstlerinnen und Künstler wie Malaria! aus den 80ern erinnert, schätzen die Black Metal-entlehnten Artworks, Fotos und das Corpsepaint der Persona auf der Bühne, sowie ihre mitunter schrillen Vocals. Andere empfinden den augenzwinkernden Humor der Tödin als zu trashig oder empfinden gar die Lyrics als zu aufgesetzt oder ihren Umgang mit Topics wie psychischen Erkrankungen als unpassend oder zumindest unsensibel. 

Gleichzeitig muss man sagen, dass genau diese inhärente Selbstironie und die Ästhetik von Tod, emotionalem Diskurs und Düsternis schon immer Aspekte der Grufti-Musik waren, die weder neu, noch überholt sind. Ganz gleich, ob man in seinem Projekt eigene Erfahrungen und eigenen Schmerz verarbeitet - ein Hervorzerren der innersten Gefühlswelten, ein melancholischer Tauchgang und vielleicht ein Seelen-Striptease, all das findet man immer wieder im Genre und in der Szene, in der Trauer, dessen Verarbeitung und die Schwere von Krankheiten regelmäßig in schwermütiger Lyrik verarbeitet werden. All das finden wir bei der Tödin auch wieder. 

So bringt sie auch einige Songs auf die Bühne, die schon länger in den Weiten von Spotify und Youtube herumwabern und mittlerweile ordentliche Garanten für Stimmung im Publikum und ebenso energisches Mitgrölen sind - “Ich bin schon tot” und “living that dsbm lifestyle” (letzterer noch einmal gekonnt und in aller Deutlichkeit mit dem Black Metal-”Wink mit dem Zaunpfahl”) wären da zu nennen. Diese sorgen mit bizarren, aber einfach spaßigen Reimen wie “Ich such mir einen dunklen Keller - da bleib’ ich bis zum Armageddon” oder herrlich sündigen Passagen wie “I like umgedrehte Kreuze an der Häuserwand” für einen mitreißenden Gig - zumal Die Tödin auch selbst auf der Bühne alles gibt, mal wild tanzend, mal auf Knien, exzentrisch, nie im Stillstand. On top wird mit allerhand Rauchwerk dem Sound eine olfaktorische Note hinzugefügt. Auch neue, noch unveröffentlichte Stücke machen da Spaß: Der eindringliche Opener “Die Geister, die ich rief” zum Beispiel - man darf schon sehr gespannt sein, welche Stücke -wie via Social Media angekündigt- Anno 2024 auch auf dem ersten Die Tödin-Album erscheinen werden. Der Abend markierte zudem den offiziellen Release des ersten physischen Tonträgers der Künstlerin - auf dem von Sonic Centurion releasten Tape sind alle bisher im Netz verfügbaren Stücke von Die Tödin gesammelt worden.

Die Tödin / Frida Nordlys

Trotz krassen Verzugs im Zeitplan begann nach dem Gig, gegen 3, dann die eigentliche We Are Stranger-Party. Auch wenn sich im Laufe des Abends und der frühen Nacht das Publikum etwas ausgedünnt hatte, muss man betonen, wie sehr der Name der Party doch Menschen anzog - zwischen den Acts musste man wirklich dicht an dicht gedrängt stehen und sich durch die Korridore quetschen. Viele wurden auf die Tanzfläche gelockt und die Musik abseits von Mainstream und bekannten Gefilden begeisterte die Feiernden. Der letzte Song lief gegen 5 Uhr morgens - und die Feiernden verließen die Katakomben sichtlich happy.

We Are Stranger / Frida Nordlys

Auch Veranstalter Benni und Andy waren schlussendlich überzeugt, dass das Event voll einschlug - die Gäste schienen überzeugt von der Location, vom Rahmenprogramm und der allgemeinen Atmosphäre. “Eigentlich haben wir keine Wahl, als das nochmal zu machen”, so der O-Ton. Vorbereitung, Aufbau und Soundcheck liefen problemlos - allerdings war es, wie beide angaben, schwierig für die lediglich zwei Personen hinter dem Event, so vieles gleichzeitig im Kopf und im Blick zu haben. Für die Zukunft nehme man sich vor, Aufgaben besser zu verteilen und sich selbst nicht in dieser Art zu überschätzen, damit die Zeitpläne besser eingehalten werden können. 

Zunächst waren wir uns einig, als wir die Katakomben der wie ein Bunker anmutenden Anlage betraten, dass die kleine Club-Bühne sich hervorragend für Gigs dieser Größenordnung eignete und wir uns auch kleinere Veranstaltungen im Metal-Bereich hier vorstellen konnten. Später jedoch störten sich einige Besucher an der dicken Betonsäule an einer vorderen Bühnenecke, sowie die penetrante Lüftung zwischen Bühne und Ausgang aus der kleinen Bühnen- und Dancefloor-Halle. Auch wenn der Time Schedule leider nur schwer eingehalten werden konnte -anfangs, da der Einlass sich leider sehr hinzog, später, weil die Umbaupausen doch mehr Zeit erforderten- dürfte die erste Ausgabe der Winter Depression ein echter Erfolg gewesen sein. Für den Party-Abend war der Schlegel-Club wie geschaffen - die Bühne war jedoch nicht perfekt für Live-Gigs. Man darf gespannt sein, ob die Veranstalter um Sonic Centurion und der Band No Love Lost sich für weitere Ausgaben in ähnlicher Programmgestaltung entscheiden. Wir jedenfalls sind sehr begeistert!

Bericht: Haimaxia

Fotos: Frida Nordlys

PUNKTE
Bewertung

Band

  • No Love Lost, Isla Ola, Die Tödin

Erscheinungsdatum

  • 15.12.2023
Haimaxia

He whispers, when the demons come. Do you make peace with them or do you become one of them?

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