03.-04.09.2021 - Folter Records 30th Anniversary - Tag 2 - Freilichtbühne Friesack + Whiskey Ritual + Todtgelichter + Drudensang + Drengskapur + Darkmoon Warrior +++
Review

03.-04.09.2021 - Folter Records 30th Anniversary - Tag 2 - Freilichtbühne Friesack + Whiskey Ritual + Todtgelichter + Drudensang + Drengskapur + Darkmoon Warrior +++

Während es vom Wetter her bereits am 1. Festivaltag viel Sonne gab, blieb auch der Samstag weitgehend sommerlich. Im Endeffekt fühlte sich der Folter Records-Geburtstag ohnehin wie das UTBS 2.0 an - und das war okay, auch wenn das Lineup des eigentlichen Under The Black Sun Festivals auch stark gewesen wäre.

  • von Haimaxia
  • 18.09.2021

Der Samstag wurde um 15 Uhr von Hallig eröffnet, welche aus dem Raum Bochum ins Havelland gereist waren. Mittlerweile bei Talheim Records erschien das 2012er Debüt "13 Keys To Lunacy" aber noch bei Folter Records - und man möchte eigentlich ein Tränchen verdrücken, dafür, dass die Band als Opener des 2. Tages fast schon verheizt wurde, wenn man es drastisch formulieren möchte. Hallig haben sich vor allem auch durch ihr Zweitwerk "A Distant Reflection Of The Void" in die Gehörgänge und auf mancher Ebene auch ins Herz unseres Teams gespielt, spätestens aber seit ihrem hypnotischen Weltraum-Trip von einem Konzert im Planetarium Bochum Anno 2019. 

Auch für die Ruhrpott-Combo war es das 1. Konzert seit längerer Zeit, doch man lieferte einen starken Querschnitt ihrer bisherigen zwei Alben, auch wenn der Fokus mittlerweile mehr auf der zweiten Platte liegt. Dazu gab es on top mit "Superlunary Passage" noch einen brandneuen Song (der im Übrigen bereits als Rehearsal-Version auf Youtube zu finden ist), denn der Spätherbst wird laut den Bandmitgliedern ein neues Album von Hallig an Land schwemmen. Im Ensemble der Band gab es auch noch "frischen" Wind: Drummer MS löste zu Beginn der Corona-Pandemie den langjährigen Schlagwerker JP ab. Vor allem dürften den Besuchern wohl am Samstag "Neues Land" und "To Walk With Giants" im Gedächtnis geblieben sein, die nicht nur einen besonderen musikalischen Sog entwickeln, und das besonders live, sondern auch wegen der Lyrics: "Wer aus der Seele schreit, der wird erhört, auch wenn er flüstert", heißt es in ersterem, "what they adored, I abhorred - their life's light will be undone" im finalen Stück. In der Nachmittagssonne nur alles nicht so herausragend atmosphärisch wie bei einer zwielichtigen Clubshow oder unter einer Planetariumskuppel! Trotzdem: Es mag schwärmerisch klingen, aber der Auftritt von Hallig bildete für uns bereits früh am Tag den ersten, ekstatischen Hochpunkt.

Deathrow um den Multi-Instrumentalisten und Tausendsassa Thorns gaben sich im Folgenden raubeiniger und roher mit ihrer Black-Maschinerie. Der unfassbar talentierte Musiker am Mikro betreibt sein Projekt Deathrow eigentlich in Eigenregie und übernimmt sämtliche Instrumente, genau wie er krakenarmig in unzählige weitere Bands und Projekte verwickelt ist: Die einen kennen ihn seit 2014 als Drummer von Blut aus Nord (auch bei Acherontas saß er mitunter hinter den Trommeln), andere unter dem Pseudonym Omega vom norwegisch-italienischen Projekt Darvaza, wieder andere kennen ihn von Frostmoon Eclipse, doch die Liste ist noch weit länger. "One by One" vom 2007er Erstlingswerk "Primordial Lifecode" geben da ganz gut das Tempo vor, das hier an den Tag gelegt wurde. Sehr stark, auch wenn für unser Team die anderen genannten Projekte, in die Thorns involviert, interessanter sind.

Im Folgenden trat eine Band auf die Bühne, die uns aus dem Westen noch nicht so präsent war, wie dem Publikum aus dem Osten Deutschlands: Nornír aus Sachsen beeindruckten auf ganzer Linie. Nicht nur greifen sich die zwei Frontfrauen das Beste, was pagane Folk-Combos à la Heilung zu bieten haben und vereinen es mit harschen Black Metal-Einlagen zu einer mitreißenden und auf diese Art absolut einzigartigen Kulisse, sondern scheinen gerade zu einem wahren Geheimtipp in Sachen Black Metal zu avancieren. Dabei stehen die Damen mit ihrer Präsenz auf der Bühne und ihren mal bedrohlich schneidenden, mal klaren Vocals anderen Frauen im Genre in nichts nach. Akustische Einlagen leiten dabei oft ihre Stücke ein, und man bewegt sich in einer so viel ehrlicheren und authentischen Art in nordischer Mythologie, als Bands wie Amon Amarth oder Konsorten es jemals auch nur träumen könnten. Im Allgemeinen bewegen sich die Texte mal im norwegischen Sprachraum, mal im deutschen, oder entstammen direkt dem literarischen Werk der Edda. Vor allem "Yggdrasil og Nornene" ist dabei hervorzuheben - im Chor leiteten Lethian und Reineke in die Saga ein, ehe der kaskadische Black Metal-Rausch begann. Einfach stark - und unbedingt mehr davon.

Foto: Haimaxia

Darkmoon Warrior genießen in unserem bescheidenen Zirkel schon jetzt richtigen Kultstatus: Schon beim Weltuntergangs-UTBS 2017 (wir erinnern uns, wie das Festival ausgerechnet zum Auftakt in neuer Location in sintflutartigen Regenfällen absoff) machte es ungeheuren Spaß Frontmann Atom Krieg beim Walten auf der Bühne zuzusehen. Auch diesmal war es nicht anders: Beim Gig sprang einem ja förmlich die "Fuck off"-Einstellung ins Gesicht, und auch mit dem lyrisch vielleicht nicht so tiefsinnigen, dafür live umso spaßigeren Song "Fuck Off" wurde das auch mehrfach kundgetan. Atom Krieg, den man zuvor schon auf dem Gelände mit einer "100% Tattooed White Trash"-Jacke zu Gesicht bekam, präsentierte mit seinen Kollegen ein Destillat des besten, was die Brandenburger die vergangenen 25 Jahre aufgetischt haben: Von "Prayer of Genocide", einem frühen Stück der 2001er Demo "Son of Loki" (auch auf der berüchtigten "We Walk The Infernal Path"-Split enthalten), zu dem der alte Gitarrist Anti (jetzt Kopf des gleichnamigen DSBM-Projekts) als Gast auf die Bühne geholt wurde, über "This is Blackmetal" von der "In Fundis Inferiorum"-EP bis hin zu den kompromisslosen "Thermonuclear Predator" und "Coração Sinistro" vom letzten Album "Angels of Dirt & Beasts of Rebellion" war alles dabei. Sogar einen neuen Song gab es mit "Omega" auf die Ohren. Was für ein blankgeschabter, schnörkelloser Sound - und, seien wir ehrlich: Darkmoon Warrior kokettieren schon sehr mit der plakativen und womöglich auch stellenweise sehr platten Spielart des Black Metal. Aber keine andere Combo kann man dabei so ernst nehmen und in ihren rar gesäten Gigs so abfeiern wie Darkmoon Warrior!

Die Schweizer Chotzä sind dabei in ihrer Herangehensweise nicht anders, aber bildeten im Anschluss an DW eine konsequente Fortführung: Mit "Plump u Primitiv" hatten die Berner schon eine Ansage gemacht, was für einen Black Metal-Pissestrahl man hier erwarten durfte. Aber das ist eben auch das, was diese Combos auszeichnet: Scheiß doch auf Regelkorsetts, auf Ästhetik, auf das, was andere machen. Dabei hauen uns Chotzä ihren eigenen Dialekt um die Ohren und machen einfach einen morbiden, gehörigen Spaß. Chef Szivilizs stand dabei zwischendurch auch stilecht mit Bierbecher UND Pfeffiflasche in einer Hand auf der Stage. Erst kürzlich erschien die Jubiläumsversion ihres Erstlingswerks in neuer Auflage, aber auch die Platten "Tüüfuswärk" von 2020 und "Bärner Bläck Metal Terror" von 2017 waren bereits wahre Schlachtfeste. Stücke wie "Chindlifrässer", "Toddfiggä", und "Fotzä" sind Programm - zudem wurde noch für Frühjahr 2022 direkt die 4. Platte "Pächschwarz" angekündigt. Da kann man schonmal Vorfreude entwickeln!

Illum Adora aus Koblenz beeindruckten ebenfalls mit ihrem straight-forward-Sound und präsentierten ihr brandneues Album "Ophidian Kult", welches am selben Wochenende Release feierte. Bandkopf Hurricane Hellfukker (welch großartig selbstironisches Pseudonym!) hatte für den Gig zwei tote Ratten an seinem Gürtel befestigt, die auch immer wieder am Schwanz in die Höhe gehalten wurden und später ins Publikum flogen (Zack, Auftritt nicht mehr vegan). Der Gig begann mit dem "...of Serpentine Forces"-Opener "Dominions of Spheres Beyond" und man schaltete von Beginn an auf 100%. Dem neuen Song "Folter" wurde auch gleich ein passendes Label-Shirt spendiert, auf dem die Textzeilen "Wir foltern und wir sind da, wo der Tod sich nähert" prangen - passend zum Label-Jubiläum allemal. Was Illum Adora ohne jeden Zweifel können ist ordentlich für Stimmung zu sorgen - Frontmann Hellfukker mit seiner Nylon-Maske sprang dabei auch auf der Bühne unermüdlich und energisch auf und ab und kreierte eine dichte Atmosphäre. Auch andere neue Stücke wie "Profanation on Command" und "Tief unten" brachten das Blut in Wallung. 

Auch Drudensang hängt ein gewisser, aller Zweifel erhabener und sublimer Kultstatus nach - und das mit Recht, das sollte auch der Gig am 4.9. unter Beweis stellen. In den Reihen derer, die das Festival mitorganisierten, raunte man schon während des Freitags von dem Auftritt der Bayern, vor allem diejenigen, die bereits im Erzgebirge den Auftritt auf dem Schwarzmetall überm Miriquidi sahen. Obwohl Drudensang im Grunde erst ein Album veröffentlicht haben, gab es jedoch schon mehrere Demos und Splits (u.a. mit Kalmankantaja & Hiisi), sowie im Jahr 2020 ein Live-Album und eine EP. Schon die ersten zwei Stücke "Fäulnis", Opener des Albums "Verborgene Riten", sowie "Geistes Fluch" von genannter Split hatten es ordentlich in sich. Was die Band wie kaum eine andere schafft, ist, ihre Zuhörer in ein im Black Metal-Sinne positiv unbehagliches Tuch zu hüllen - und von den Vocals von Frontkehle Krámpn brauchen wir gar nicht erst anzufangen, so bitterböse dringen diese ans Trommelfell. "Die Watzmannsage" von der aktuellen EP beendete den Ritus bei Nacht - und man würde lügen, wenn man sagte, Drudensang hätten diesen Fankult nicht verdient.

Dass ausgerechnet Todtgelichter das Festival beenden würden, hätte unser Team am Anfang nicht erwartet - dennoch entpuppte sich der Gig als krönendes Finale. Dass die Band gerade mit ihren letzten Alben "Apnoe" von 2013 und "Rooms" von 2016 unter den Black Metal-Anhängern, die ihre Musik härter, verrohter und böser mögen, nicht punkten konnte, ist bekannt. In den vergangenen Jahren treten Todtgelichter aber immer wieder mit ihrem alten Logo auf, tragen nicht mehr ihr Signature-Weiß und spielen in erster Linie Stücke aus der "Was bleibt..."-, "Schemen"- und "Angst"-Ära (2005-2010, in dieser Zeit auch bei Folter Records im Kader), wo der Black Metal-Charakter in ihren Songs noch mehr hervorstach. So auch an diesem Abend: Sängerin Marta übernahm auch hier die harschen Vocals, die auf der Platte noch der alte Sänger Mort übernahm, so wie es schon bei ihrer Mini-Tour vor Ausbruch der Pandemie der Fall war. Stücke wie "Blutstern" oder "Schlachtenruf" sind dabei nur zwei Beispiele, die in diesem Ensemble hervorragend funktionierten und für ein rauschhaftes, hypnotisches Ende des Festivaltages sorgten. Aber auch Fan-Favoriten wie "Phobos & Deimos" mit Textfetzen wie "Das Antlitz des Grauens gewinnt den Krieg in euch" oder "Café of Lost Dreams" wurden dem Publikum spendiert. Überwiegend in blaues Licht getüncht ging der Folter Records-Geburtstag mit einer fulminanten, emotionalen Show zu Ende und stand symbolisch auch etwas den übrigen Bands des Tages entgegen.

Tatsächlich umklammerten Hallig und Todtgelichter am zweiten Festivaltag mit ihrer Stilistik die anderen Slots. Beide Bands tragen in ihren Stücken mehr Anspruch und weniger Banalität in sich - auf jeden Fall aber haben sie beide mehr den Fokus auf Emotionen und die menschliche Psyche und hängen weniger der bereits erwähnten plakativen Corpsepaint- und Killernieten-Gesinnung nach. Aber gerade Combos wie Nornír und Drudensang sind es, die diese rituelle Mystik und das Spirituelle hervorkehren - und je nach Stimmung kann und muss man beides lieben und genießen. Alles in allem dürfte das 30-jährige Jubiläum gehörig gefeiert worden sein - schade nur, dass sich nicht mehr Menschen ins Havelland aufgemacht haben. Man hätte meinen sollen, dass eines der ersten Szene-Festivals, das wieder in deutschen Landen stattfindet, besser besucht sein würde. Auch Sound und Orga waren wie immer blendend (und auch der Stromsausfall bei Whiskey Ritual fiel im Gesamtkontext so wenig negativ auf, dass wir ihn beinahe zu erwähnen vergessen hätten).

Auch andere Prominenz war neben den Veranstaltern zugegen: Mister Revenant, dessen Projekte jedem Black Metal-Fex da draußen ein Begriff sein dürften (u.a. Sarkrista, Order of Nosferat) war ebenfalls als Gast vor Ort, wirkte auf uns aber durchaus unsympathisch und arrogant - doch Hand aufs Herz: Hätten wir hier schreiben müssen, wie lieb und zuvorkommend der Mann ist, hätte das dem Image auch nicht gut getan. 

Sei's drum: Für uns war es ein schönes Familientreffen, unsere Freunde von der Kältetod Legion und von Folter Records können immer auf unseren Support zählen und wir stoßen an auf mindestens weitere 30 Jahre des Kult-Labels! 

Fotos: Anna Apostata 

Bericht: Haimaxia

10
PUNKTE
Bewertung

Band

  • Hallig + Deathrow + Nornír + Darkmoon Warrior + Chotzä + Illum Adora + Drudensang + Todtgelichter

Erscheinungsdatum

  • 04.09.2021
Haimaxia

He whispers, when the demons come. Do you make peace with them or do you become one of them?

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