Ganz unter der Standarte "Black Metal - für uns geschmiedet" kehrte das Black Hole Fest in seiner sechsten Ausgabe Anfang Mai in die ehrwürdige Musigburg Aarburg zurück. Drei Tage, an denen es keine Masken, keine Kompromisse und keine glattpolierten Fassaden gab – stattdessen raw energy, aufschürfende Intensität und die klare Handschrift der Black Hole Agency, die abermals ein Line-up aufbot, das man so nur hier erwarten konnte.
Tag 1:
Den zeremoniellen Auftakt des Black Hole Fest VI übernahmen die Teufel von Ghörnt, die mit ihrer wuchtigen Präsenz und ihrem schnörkellosem Sound das Publikum sofort auf Temperatur brachten und zu einem Super-Crowd-Anheizer avancierten. Die Schweizer wussten, wie man ein Heimspiel mit Groll und Glanz eröffnet – ein würdiger Start, von Sekunde 1 an gut besucht und mit heißen Temperaturen im Saal umwoben. Die Band um Sänger Thulus und Multi-Instrumentalist Jöschu (u.a. bekannt von Aara, Malphas oder Porta Nigra, um nur ein paar wenige zu nennen) punktete erst kürzlich mit ihrem neuen Werk "Bluetgraf", welches erst einen Monat zuvor bei Soulseller Records herausgekommen war - und live ist die Truppe samt Stage-Ensemble nur zu empfehlen.
Dann öffnete sich das Portal gen amerikanische Westküste: Lamp of Murmuur verwoben ihre eigenwillige Vision aus US-Black Metal mit finsteren, atmosphärischen Momenten – intense und filigran zugleich. Seit Mitte April auf Europa-Feldzug mit den folgenden Spectral Wound holte die Black Hole Agency einen verdammt heftigen Tour-Konvoi zur Warmup-Show. Auch die Kanadier aus Montréal räumten ordentlich ab: mit ihrem "Aristocratic Suicidal Black Metal" kamen sie wild und ungezähmt über die Besucherinnen und Besucher – mit einer Wand aus Sound, die alles mit sich riss, auch wenn man die Combo nun schon mehrfach auf Festivals und Touren auf unserem Kontinent erleben durfte. Ihr aktuelles Werk "Blood Mire Death" spricht jedenfalls für sich - ein wahrer Genuss-Garant, an diesem Abend sogar noch furioser, noch klarer im Sound, als es unser Team bisher gewohnt war.
Lamp of Murmuur / Anna Apostata
Den Abschluss setzten Sarkrista – und wer in Sachen Black Metal aus deutschen Landen mitreden will, kommt im Grunde nicht an dem Revenant, der Ein-Mann-Armee an den Vocals, vorbei. Auch wenn das dem übrigen Ensemble nicht wirklich gerecht wird - was diese Bestie an den Vocals entfesselt, ist schon ohne Vergleichspunkte. Ein finsterer Pathos, vor allem mit Stücken wie dem Title Track des letzten Werks "Sworn to Profound Heresy". Ihre Darbietung: Ein herausragenndes Gleichgewicht aus roher Raserei und schweißtreibender Show. Und so wurde die Aufwärmübung am Donnerstag zu keiner seichten Einstimmung – sie war bloß der erste Hammerschlag.
Sarkrista / Anna Apostata
Tag 2:
Den Auftakt zum zweiten Tag machten zwei deutsche Truppen: Magoth aus NRW, die mit ihrem ersten Langspieler "Anti Terrestrial Black Metal" vollkommen verdient noch immer unter den Top 10-Bands bei Black Metal Promotion rangieren, sowie Ad Mortem aus Sachsen, die erst im letzten Jahr das starke Album "In Honorem Mortis" rausgehauen haben. Beiden Bands gelang es locker, das Publikum schon zu so früher Stunde um den Finger zu wickeln und eine perfekte Einstimmung für all das zu liefern, was an diesem Tag noch folgen sollte. Auch die Schweden von Vananidr lieferten gut ab, blieben aber am heutigen Tag eher blasser.
Magoth / Anna Apostata
Blackbraid, das mittlerweile international gefeierte Projekt um Sgah’gahsowáh, konterte mit Spiritualität, Naturmystik und ritueller Wucht. Die Darbietung hatte eine tragende Schwere – ein tiefer, schamanischer Puls, der sich ins Mark brannte. Gleichzeitig machte sich das Wetter nun deutlich bemerkbar: Die sommerliche Hitze in Kombination mit der stickigen Enge der Musigburg sorgten für einen wahren Hochofen, der dem Publikum alles abverlangte – und besonders während Blackbraids Set den Schweiß in Strömen fließen ließ.
Der zweite Tag präsentierte sich facettenreich: White Death, eines der kontrovers diskutierten finnischen Projekte des Festivals, lieferten eine Show, die den Geist des frühen Black Metal atmete: dreckig, direkt, unbequem – und genau deshalb so wirkungsvoll. Ihre Aura: kompromisslos. Frontmann Vritrahn: Elitär, voll in seinem Element. Für manche verstörend, für andere ein Manifest. Klar, das Outfit des Sängers ist für manche Kvlt, andere belächeln es eher. Eine gänzlich unvegane Show wie Live-Auftritte in Finnland vermuten ließen (googlen, wer nicht weiß, was gemeint ist), gab es hier nicht - aber von Stücken des starken letzten Werks "Iconoclast" zum finalen "White Death's Power" mit seiner markanten Melodie und seinem mit allen abrahamitischen Religionen abrechnenden Text war das hier einfach nur ein unglaublich starker Gig. Was für ein starker Move, den Vritrahn ins Herz Europas zu holen.
White Death / Anna Apostata
Die Niederländer von Wrang fielen ein wenig aus dem Rahmen: Das geht schon mit dem Bandlogo im Wappenformat los, das sich auf jedem Festival-Flyer deutlich von allen anderen Schriftzügen abhebt, und geht mit dem Utrechter Dom weiter, der seit dem Debüt namens „Domstad Swart Metael“ bei der Band immer wieder eine zentrale Rolle spielt – allerdings wohl nicht klassisch sakral als Symbol christlicher Erhebung und Macht, sondern eher im Sinne einer profanisierenden schwarzmetallischen Aneignung. Auch musikalisch geht die Band rund um Vokalist Galgenvot eigene Wege: die Musik setzt teils auf dissonante Akkorde und will gar nicht jedem auf Anhieb gefallen. Auch die Melodik ist bei Wrang alles andere als offensichtlich. All diese Sonderwege machen es dem Fan nicht einfach – belohnt wird aber der, der sich der Musik voll ausliefert. Und das waren an diesem Abend viele. Sie erlebten einen Gig, der in Sachen Intensität eigentlich kaum zu überbieten ist und schon deshalb unbedingt zum Abschluss eines wirklich geilen Festivaltags taugte. Dass Wrang an diesem Abend alles raushauten, was sie abliefern konnten, wurde insbesondere bei den letzten beiden Songs „Domstad Swart Metael“ und „Morbide Delerium“ klar, die nicht nur im Repertoire der Band ganz oben angesiedelt sind, sondern auch an diesem Abend die ganze Burg eskalieren ließen.
Wrang / Anna Apostata
Tag 3:
Der letzte Tag begann mit einer starken Show von Blood Countess und danach mit einer echten Premiere: Luciferian Rites aus Mexiko spielten zum ersten Mal in Europa – und was für ein Einstand das war! Dunkel, druckvoll, mit einer fast sakralen Inbrunst. Ihre Darbietung wirkte wie ein finsterer Ritus, den man ehrfürchtig verfolgte. Bleibenden Eindruck hat dabei auch der Gesang von Vokalist Count Shadow hinterlassen, der von extrem hohen Screams bis hin zu gutturalen Growls eigentlich das ganze Spektrum extremer Musik locker abdecken konnte. Dazu wurde vereinzelt sogar Klargesang kombiniert. Insgesamt merkte man der Band an, dass sie schon seit 2006 aktiv ist, denn das, was das Trio ablieferte, spielte sich durchgängig auf hohem Niveau ab. Man präsentierte zudem auch brandneues Material. Mit der Einladung der Mexikaner haben die Veranstalter wieder voll in Schwarze getroffen, denn sie konnten den Fans eine geile Band präsentieren, die vorher wohl selbst viele Kenner der Szene nicht ansatzweise auf dem Zettel hatten. Für machen entwickelten sich Luciferian Rites mit ihrem Gig an diesem Abend gar zur Entdeckung des ganzen Festivals!
Luciferian Rites / Anna Apostata
White Rune, wie tags zuvor White Death ebenfalls aus Finnland stammend und ebenso von kontroversem Leumund umweht, lieferten eine der eigenwilligsten Shows des Festivals. Ihr Sound ist martialisch, aufgeladen mit nordischer Kälte. Diskussionen nach dem Auftritt? Garantiert. Aber auch: Respekt. Für viele war es besonders, die Truppe überhaupt live zu sehen – denn es war einer der allerersten Auftritte der Band überhaupt. Mit Stücken wie dem rasanten "White Rune Rising" sorgte die Band um Ruttokieli, seines Zeichens auch Kopf von Sielunvihollinen, für ordentlich Stimmung im Saal. Aber auch ein paar Ansagen verliehen dem sonst sehr finsteren, sharpen Stil eine ironische Facette: So wurde etwa der Brecher "Death at Sundown" mit den Worten "This one's for the ladies" eingeleitet. Einfach nur stark - und wohl ein Live-Highlight, was man so schnell nicht wieder zu Gesicht bekommen wird.
Antrisch thematisieren historische Expeditionen in extreme Regionen der Erde - und das mit allem, was sie haben. So entwickelte sich auch der ganze Gig der Band an diesem Abend zu einem Extremereignis, bei dem die Musiker eigentlich alle denkbaren Stilmittel einsetzten, um die Burg voll einzufangen. Schon die Namen der fünf Musiker sind eine Hommage an historisch bedeutsame Abenteurer und Forscher, die allesamt für extreme Etappen in ihrem Leben bekannt wurden. Genauso die Musik der Band: die Musiker schaffen auf der Bühne eine klirrend kalte Atmosphäre, die Gitarren treiben langsam und bedrohlich voran und immer wieder werden - meist tagebuchartig - trostlose Erzählungen durch Sänger "Maurice Wilson" vorgetragen. Nun sind die von der Band dabei eingesetzten historischen Verkleidungen genauso wie der Einsatz von Kunstschnee auf der Bühne im Black Metal nicht jedermanns Sache und erinnern unweigerlich mitunter an Showeinlagen, wie sie jüngst auch bei Projekten von Noise wie Kanonenfieber zum Einsatz kommen. Bei Antrisch passt das aber ins Konzept und verkommt nicht zu einer kleinen Posse. Führt man sich beispielsweise auch vor Augen, dass der Name "Maurice Wilson" von einem bekannten britischen Bergsteiger stammt, der im Jahr 1935 den Versuch, den Mount Everest alleine zu bezwingen, mit dem Leben bezahlte, dann ist das Programm der Musik eigentlich klar: Bei Antrisch stehen nicht Effekte im Vordergrund, sondern Eindringlichkeit und Erzählkraft. Und genau diesem Anspruch wurden die Musiker an diesem Abend gerecht, indem sie einen intensiven und gewollt trostlosen Gig ablieferten, der auch manchen Skeptiker beeindruckt haben dürfte.
Order of Nosferat waren noch nicht häufig live zu erleben - zuletzt bei der Germania-Ausgabe des BHF im Oktober für unser Team. Das All Star-Live-Ensemble, das der Revenant, auch hier der finstere Kantor, wie schon bei Sarkrista, hier um sich geschart hat, ist -wie wir bereits in unserem Bericht vor einem halben Jahr festhielten- bemerkenswert stark. Die Songs von OON bestechen mit ihrer trostlosen Ader, einem oft durch die symphonischen Elemente mitreißenden, catchy Rhythmus und dem finsteren Sujet, der Vampirsage. Mit dem letzten Werk "Towards The Nightrealm Of Orlok", welches an Weihnachten 2024 erschien, lieferte der Revenant den perfekten Geheim-Soundtrack für alle Black Metal-Jünger, welche die Neuverfilmung des Nosferatu-Stoffes Anfang des Jahres im Kino sahen - auch wenn viele Kinobesucher diese finstere Perle von einer Platte wohl nicht gehört haben werden, weil sie sich nicht so sehr im Black Metal-Wurzelwerk tummeln. Uns überzeugt die Truppe live immer mehr - und wir waren ja bereits im Oktober begeistert. Die hohe Release-Dichte darf gern beibehalten werden!
Order of Nosferat / Anna Apostata
Koldbrann sind eigentlich absolute Sureshots in Sachen schneidigen Black Metals, bei denen man nicht viel falsch machen kann: Classics wie der namensgebende Song "Koldbrann" oder "Djevelens treskeverk" mähen mühelos alles nieder und die Anhängerschaft skandinavischer Urgewalten war glücklich. Der endgültige Schlusspunkt war aber Thy Light vorbehalten – und was für einer das war. Ihr Auftritt entfaltete eine emotionale Wucht, die sich in den Seelen festbrannte. Als „A Crawling Worm In A World of Lies“ erklang, war es für viele von uns der Moment des Festivals – intensiv wie nie zuvor erlebt. Ein Gänsehaut-Finale, das lange nachwirkte. Vielleicht hatten Teile unsere Teams auch ein paar Tränchen im Auge, denn so genial waren die markanten Stücke der Band live noch nie zu hören.
Koldbrann / Anna Apostata
Nicht nur das Lineup, sondern auch der Sound waren auf höchstem Niveau – Blvckr0seproductions bestätigte, was man im Vorjahr schon bewiesen hatte: Glasklare Abmischung bei maximaler Intensität, ohne die rohe Energie der Bands zu glätten oder auch nur zuzulassen, dass man dem Klang der Musigburg einen Makel nachsagen könnte. Auch abseits der Bühnen zeigte sich das Gespür der Veranstalter für Details: Für finnisches Flair war gesorgt – mit einer gefühlten Jahresration Lonkero, dem Festivalgetränk der dunklen Nächte: Ein Gin & Grapefruit-Longdrink, den es an jedem Stand zu erwerben gab. Eine kleine, aber stimmige Hommage an die Herkunft mehrerer Acts – und ein Hochgenuss für Kenner, die sich gerne auf Events im Land der 1000 Seen tummeln.
Neben unserem Team war mit Gronn Onland auch ein weiterer profilierter Szenefotograf vor Ort, der das Geschehen eindrucksvoll festhielt - nicht nur in Bildern, sondern auch in Film. Sein bereits veröffentlichtes Aftermovie fängt die Atmosphäre des Wochenendes mit einer bemerkenswerten Mischung aus Nähe und Düsternis ein – ein audiovisueller Nachklang, der das Erlebte in Bilder meißelt.
Die Organisation war – wie jedes Jahr – tadellos. Selbst wenn es im Vergleich zu den Vorjahren etwas leerer gewirkt haben mag, blieb das Erlebnis intim, fokussiert und frei von größeren Pannen - klar, es gab auch mal Delay, aber bei einem Event dieser Größe fällt das nicht weiter ins Gewicht. Für Besucherinnen und Besucher von außerhalb der Schweiz gab es zudem wieder die angenehme Option, die Verzehrkarten -pardon, Konsumationsbons!- vor Ort in Euro zu bezahlen – ein Service, der nicht selbstverständlich ist und für einige den kleinen, aber entscheidenden Unterschied machte.
Bericht: Skog & Haimaxia
Fotos: Anna Apostata