Interview mit Krachmucker TV
Interview

Interview mit Krachmucker TV

Vor wenigen Monaten hat FÄULNIS-Sänger Seuche Neuland im #Neuland betreten und einen eigenen Youtube-Channel gestartet: Krachmucker TV. „Heavy Metal & Beauty mit Ernie Fleetenkieker“. Hauptsächlich spricht er in Form von Kolumnen, Interviews etc. über „geile Mucke“, doch es werden auch ernsthafte Themen angeschnitten und „geile Specials“ versprochen. Wir haben ihm zu diesem neuen Projekt auf den Zahn gefühlt. 

  • von Ghostwriter
  • 21.08.2017

 

 
„Wann, wenn nicht jetzt, habt ihr wirklich die idealen Voraussetzungen, um euch von morgens bis abends volllaufen zu lassen?!“
                                                                                                                                   Ernie Fleetenkieker, Krachmucker TV


 
UG: Hi Ernie!


Ernie: Moin!
 
UG: Man kennt dich als Frontmann von Fäulnis, der eine Mischung aus Abscheu, Aggression, Pessimismus und Introvertiertheit ausstrahlt und nun kommst ausgerechnet du daher und machst deinen eigenen Youtube-Channel. Was ist denn da passiert?


Ernie: Ich bin, das muss ich ganz ehrlich sagen, müde. Müde von all dem, was es mit sich bringt, eine Band zu haben, über mehrere Jahre. Der Stress, der Ärger, das ganze so genannte Business. Als ich 2003 angefangen habe mit Fäulnis, da war alles, aus der heutigen Sicht betrachtet, angenehm naiv. Gut, keiner hat mich ernst genommen, es hat Jahre gedauert, bis man sich eine gewisse Aufmerksamkeit erarbeitet hat, aber da lief alles noch so simpel. Mucke gemacht, aufgenommen, rausgehauen. Die Zeit war damals zwar hart, aber es war einfach noch alles, hm, Punk! Dann kamen die ersten Gigs, dann wurde alles größer, plötzlich war man ein Teil dieser ganzen Maschinerie. Und wo am Anfang einfach nur Rotz, Trotz und „alles scheißegal“ war, stehen heute Planungen, Verträge, Absprachen, verstehste? Lange Rede, mir ist das einfach alles zu viel, es ist nicht mehr „einfach nur Mucke machen“. Und auch, wenn es sich vermutlich jede Band wünscht, dass es läuft, bei mir ist die letzte Zeit einfach zu viel verloren gegangen. Und ich will nicht irgendwann auf der Bühne stehen und mich fragen müssen „ist das noch das, was Du willst?“.
Ich brauche einfach was Neues, was Frisches, eine neue Herausforderung. Back to the roots, ich allein gegen den Rest, wie früher. Und ich bin halt 'n Schnacker und rede viel, wenn der Tag lang ist, da ist YouTube wahrscheinlich genau das Richtige.
 
UG: Hier Seuche, da Ernie. Einer gewissen Absurdität kann das nicht entbehren oder? Woher kommt der Name? Die meisten denken sicher direkt an Stromberg oder die Sesamstraße.


Ernie: Nein, das finde ich gar nicht. Ich habe immer betont, dass ich mit Fäulnis ausschließlich meine negative (!) Kopfscheiße verarbeite. Musik zu machen hat für mich immer bedeutet, all das Negative in mir zu verarbeiten. So ist es auch, wenn ich auf die Bühne gehe, sobald ich vorne stehe, lasse ich alles raus, was sich an Dreck angesammelt hat. Aber jeder, der mich live gesehen hat und nachher noch auf ein Bierchen mit mir am Schnacken war, weiß, wie ich drauf bin. Wo ist da der Widerspruch, in der Musik, die ich über alles ernst nehme, alles zu verarbeiten, was nicht richtig läuft und dennoch nach dem Gig nett mit den Leuten zu reden? Wobei, klar, ich weiß was Du meinst, wie kann jemand, der textlich nur finsteres Katastrophenzeug raus haut, neben der Musik ´n lustiger Typ sein, das ist natürlich absurd... weißt, was ich meine?
Es ist tatsächlich die Sesamstraße, haha, kleiner Running-Gag hier. Meine bessere Hälfte und ich sind halt Ernie und Bert, ich mache das Chaos und sie muss ständig hinter mir aufräumen. Ernie Fleetenkieker. Fleetenkieker ist mein Lieblingstabak, da ich gerne Pfeife rauche. Habe da von meinem alten Herren einen ganzen Schwung über 30 Jahre alter Pfeifen überlassen bekommen. Er heißt übrigens Ernst... Ernie – Ernst...
 
UG: Als einstiger bekennender Mainstream-Verweigerer nutzt du nun das wohl „mainstreamigste“ Medium, um – ja, um was? Was sind deine Ziele bei diesem Projekt? Steckt da irgendein Idealismus hinter oder ist es bloß ein Experiment zum Zeitvertreib? Der ein oder andere würde dir sicherlich Suche nach Aufmerksamkeit vorwerfen.


Ernie: Von jedem etwas, vermutlich. Eine Herausforderung, sich mit einem mir bisher fremden Medium auseinanderzusetzen, alles in der eignen Hand zu haben, Inhalte, Umsetzung, Schnitt... keine Diskussionen. Ich hab bis vor einiger Zeit YouTube nur wegen der Musik benutzt, dass es da eine Szene gibt, war mir vollkommen unbekannt, selbst diese großen YouTuber wie Lefloid oder so kannte ich alle nicht. Ich wollte insgeheim ja immer eine Metal-Sendung moderieren, so wie früher, Metalla mit Markus Kafka oder Headbangers Ballroom. Sowas gibt’s nicht mehr und dieses Format ist auch uninteressant seit Musikvideos jederzeit auf YouTube verfügbar sind. Früher haste da ´ne Stunde gesessen, immer gehofft „Argh, jetzt bitte ein geiles Video“ und dann kam doch wieder nichts. Heute gibt’s alles auf Knopfdruck. Auch schön, gute Idee für ´ne Sendung „Was war/ist früher/heute besser“. Ich weiß nicht, wohin das führt, ich hab mir gesagt, ich mache jetzt ein Jahr jede Woche ein Video und dann schauen wir mal.
Ich hör ja jetzt nicht komplett auf mit der Musik, im Moment ist es einfach so, dass ich etwas Neues brauche, bei Monotonie werde ich unruhig. Und klar man, ich bin Sänger in einer Band, ich stell mich vor die Kamera und laber die Leute voll, natürlich ist das aufmerksamkeitsheischend. Der schüchterne Junge dezent im Hintergrund bin ich wohl nicht.
 
UG: Nicht nur der eigene Youtube-Channel dürfte die Köpfe so mancher „Die Hard“-Black-Metaller zum Rauchen bringen, sondern vor allem manche Themen, zu denen du dich äußerst. So hast du dir z.B. das Summerbreeze-Plakat angeschaut und in die Bands reingehört, die ganz oben stehen. Fiel es dir selbst schwer, dich dem zu öffnen? Und befürchtest du nicht, dass dein neues Projekt deiner Band schaden könnte? Wir wissen ja, wie engstirnig die Black Metal-Szene ist und ihr wurdet bisher ja nicht selten kritisch beäugt.


Ernie: Welcher Die-Hard-Black-Metaller interessiert sich überhaupt für das, was ich mache bzw. welche Relevanz hat das? Fäulnis triggert seit Jahren diese Vögel und hab ich deshalb mit der Musik aufgehört? Gerade bezogen auf eine Szene, die im Grunde nur in markigen Facebook-/ und YouTube-Kommentaren existiert... Sehr uninteressant!
Und mal ehrlich, wer mich als Musiker aufhört ernst zu nehmen, weil ich in einer Sendung meine persönliche Meinung über Mainstream-Bands kundtue, die ja nicht einmal positiv ist, merkste selbst, oder? Und wenn jemand nicht damit klar kommt, wie oben schon angesprochen, dass ich nicht 24/7 depressiv in den Seilen hänge (vor allem nicht in der Öffentlichkeit!) und dieses nicht auch hinter der Bühne, neben der Musik jedem ins Gesicht schreien muss – Solche Leute haben irgendwie grundlegende Dinge nicht ganz verstanden.
Es war natürlich nicht schwer, ich lerne ja gerne dazu. Hätte ja sein können, dass da was bei ist, was mir richtig gefällt. Dann hat sich das doch schon gelohnt. Wer ist nicht tagtäglich auf der Suche nach neuer guter Musik? Also wenn solche Sendungen schon Köpfe zum Rauchen bringen, wird’s aber hart für einige, haha!
 
UG: Du beschreibst den Kanal als „Safespace-free“. Hast du Grenzen, über welche Themen du sprichst bzw. nicht sprichst, oder würdest du frei Schnauze über alles reden, was dir in den Sinn kommt? Auch über heikle Themen wie Politik? Schließlich findet man mit dem Kommentar zu Chester Benningtons Suizid auch durchaus ernste Videos bei Krachmucker TV.


Ernie: Ich möchte schon in erster Linie über Musik reden, aber das lässt ja auch viel Raum für Ausflüge. Im besten Falle geile, spannende Themen, wo sich die Leute jeden Mittwoch freuen können, aber auch in etwa wissen, was sie erwartet - und trotzdem überrascht werden, halt auch mal etwas unbequemer: Der Tod von Chester Benningten gab mir z. B. die Möglichkeit, über so etwas wie Tod im eigenen Umfeld zu sprechen. Ich mache ja keine Comedy, ich hab nur ´n ziemlich loses Mundwerk.
 
UG: Hältst du jetzt bewusster die Augen offen, was in der Szene gerade im Trend ist, was die Leute interessiert – oder ist dir das weiterhin egal und du äußerst dich nur zu Dingen, auf die du selbst Bock hast?


Ernie: Man kriegt ja meistens ungewollt alles Mögliche mit. Aber in erster Linie mache ich nur das, worauf ich Bock habe, ganz klar!

 

UG: In einem Video stellst du die Frage, wieso es in Deutschland nur einen wirklich bekannten Metal-Youtuber gibt, den dunklen Parabelritter. Daneben gibt es aber natürlich auch noch den kontroversen Drachenlord. Wie beurteilst du das merkwürdige Phänomen, dass hierzulande in dem Metier einerseits gähnende Leere herrscht und andererseits ein solcher Wahnsinn losbricht wie beim Drachenlord? 


Ernie: Ich will mich zu dem Thema eigentlich nicht groß äußern, ich werde auch keinen content über den Drachenlord machen. Meine ganz persönliche Meinung, ich gebe zu, ich hab mich da echt eine Weile mit einer Mischung aus gleichzeitigem Entsetzen und Faszination mit beschäftigt: Der Typ gehört ins betreute Wohnen, Internetsperre und erste Gespräche zum Thema Selbst- und Fremdwahrnehmung.
Klar, die Leute ergötzen sich halt an so einem Typen, weil es bei ihm immer mehr bergab geht und man sich immer fragt: „Ey, was kommt da jetzt als nächstes,“ weil es einfach immer schlimmer wird - und der Kerl macht das ja alles öffentlich.
 
UG: Stell dir vor, du würdest Youtube-Star. Man weiß ja nie und Gedankenspiele sind immer nett. Würdest du dann auch mittels Werbeanzeigen dein Geld verdienen, also „käuflich werden“, wie manche es nennen, oder würdest du weiterhin abgefuckt im Keller sitzen, beim Dreh saufen und die Videos mit Klospülungen untermalen? Dass du nicht in Unterhose vor der Kamera sitzt, ist ja eigentlich alles.


Ernie: Ich möchte, dass das, was ich mache authentisch ist. Und transparent. Dass der Inhalt immer die Qualität hat, die die Leute mir im Moment bescheinigen. Ich sehe kein Problem darin, die Youtube-Werbung einzuschalten und werde auch einen Patreon-Account einrichten, für die, die mich unterstütze möchten. Ist ja nun mal auch Aufwand, Zeit und Geld, trotz dessen, dass es mir Spaß macht. Aber die Werbung kann man wegklicken und man muss mir auch nichts spenden, das ist ja alles freiwillig. Ist wie bei einer Band, die spielt zwar auch mal einfach nur für Spritgeld, aber ungern, um draufzuzahlen. Und eigentlich braucht sie Gage um eben Kosten zu decken, wie Studio, Proberaum, Saiten, Felle...
Was ich natürlich 100% nicht tun werde, ist, mich kaufen lassen, den Zuschauern scheiße empfehlen, weil mir ein Label dafür was zusteckt oder so. Auch mal ´ne Mark mit dem machen, was man tut, ist vollkommen ok, aber Ehrlichkeit ist heute ein viel zu seltenes Gut!
 
UG: Übrigens fällt mir immer wieder das Peter Steele-Poster im Hintergrund ins Auge. Heimliches Idol?


Ernie: Alles für die Frauenquote! Ne, der Plan war eigentlich, jede Folge ein neues Bild im Hintergrund aufzuhängen, bis hinter mir alles voll ist, das ist im Trubel etwas untergegangen. Heimlich? Ne, Pete Steele ist großartig!
 
UG: Last but not least: Wann gibt es dein erstes Make Up-Tutorial zu sehen?


Ernie: Komm lang, ich schminke Dich!
 
UG: Vielen Dank, dass du uns mit deinem neuen Projekt Rede und Antwort standest und wir sind gespannt, was Ernie in Zukunft noch so alles zu sagen hat!       


Danke für das Interview, bin gerade etwas überfahren davon, was für tollen Zuspruch ich bekomme. Deshalb auch danke allen Zuschauern und fleißig Kommentierenden!
 
Das Interview führten Ernie Fleetenkieker von Krachmucker TV und Nephthys von Undergrounded.


 
       

       

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