Interview mit David (metalkutten.de)
Interview

Interview mit David (metalkutten.de)

Kutten. Neben Bandshirts sicher das ultimative Erkennungszeichen der Szene und "Bedienungsanleitung" ihres Trägers. Aber plötzlich führen szenefremde Klamottenlabels mit Aufnähern verzierte Jacken und auch Hosen im Repertoire. Grund genug mal jemanden, der Ahnung von Kutten hat, ein paar Fragen zu stellen. David ist Inhaber der Seite Metalkutten.de und Admin der gleichnamigen Facebook-Gruppe.

  • von Ghostwriter
  • 26.01.2015

UG: Herzlich Willkommen, David. Vorab ein großes Dankeschön dafür, dass du dich für dieses Interview bereit erklärt hast! Da dich nur einige unserer Leser kennen dürften - stell dich doch mal bitte kurz vor!
 
David: Jou Moin, danke für das Angebot. 'Nen bisschen Internetfame ist ja immer gut *lacht*. Was soll ich groß erzählen... 37 Jahre jung, Metalhead seit über 25 Jahren, Kuttenträger und Admin einer Facebookgruppe, in der es um Metalkutten und allem, was dazu gehört, geht.

UG: Da bist du ja schon eine Weile dabei. Wie kamst du denn zum Metal und was hat dich veranlasst deine erste Kutte zu basteln?

David: Daaamals vor langer, langer Zeit begab es sich, dass klein David vor dem Fernseher saß und bei der Chartshow "Formel Eins" plötzlich mit offenem Mund auf den Bildschirm starrte... hahaha... Da lief halt Europe mit "Final Countdown". Nicht unbedingt Metal, aber mein erster Kontakt mit "wilden" Langhaarigen, abseits von schwulem 80er Elektropop. Die Grundinfizierung war also gesetzt. Ende der 80er machte meine Mutter nochmal 'ne Ausbildung zur Altenpflegerin und in ihrer Klasse war ein Metalhead. Da hab ich dann so lange genervt, bis er mir ein paar Tapes aufgenommen hat. Das ging dann von Bon Jovi bis Tankard, wobei die das Extremste waren, was ich mir musikalisch vorstellen konnte. 89/90 hatte ich auch sporadisch Kontakt mit Death Metal, aber dieser tangierte mich noch nicht wirklich. Dies änderte sich dann 91, als ein Kumpel anrief und sagte ich müsse unbedingt vorbei kommen, er hätte 'ne total krasse CD zu Hause. Wir saßen dann den Rest des Nachmittags in seinem Zimmer und konnten nicht fassen, was dort aus seinen Boxen kam. Dismembers "Flowing Stream" ist seitdem bis heute mein absolutes Lieblingsalbum und hat mich musikalisch am meisten geprägt. Oldschool Stockholm Sound ist somit bis heute meine bevorzugte Spielart. Meine erste Kutte hab ich Mitte/Ende der 90er gebaut... Ich hätte es lassen sollen *lacht*...

UG: Also ein Einstieg nach Maß. Wie sah diese erste Kutte aus und besitzt du sie noch?
 
David: Oh man, das darf ich hier gar nicht erzählen. Heute würde sie in der Gruppe zu Recht den absoluten Shitstorm auslösen *lacht*. Das war 'ne gefütterte Anglerweste mit 'ner Hand voll Patches, welche ich tatsächlich aufgeklebt habe, weil ich zu faul zum Nähen war. Das sah so scheiße aus, wie es sich anhört *lacht*. Die hatte ich auch nicht allzu oft an... Und selbst bei den paar Malen war es wohl pures Glück für dieses Kackteil nicht auf die Fresse bekommen zu haben. Auf 'nem Festival hatte ich das Ding nur ein Mal an... Fuck the Commerce bei 35°C im Schatten und 'ne wattierte Weste sind echt 'ne Scheißidee, sag ich dir. Ich war danach 5kg leichter und das Ding hat zum Himmel gestunken *lacht*. Also alle Patches abgelöst und die Nächste gebaut. Das war dann eine von diesen unsäglichen Taktikwesten mit den vierhundertdrölfzig Taschen vorne druff, so dass kaum Patches drauf passen. Die hing dann die letzten Jahre auch nur im Schrank, bis ich auf Facebook über die Kuttengruppen gestolpert bin. Alte Liebe neu entfacht, die alte Kutte zerrupft und meine momentane begonnen. Ich hatte ja schon einige Patches und nach rund 25 Jahren Metal muss ich diesen auch nicht mehr groß für mich neu entdecken, um zu wissen was drauf soll... Somit ging das relativ schnell.

UG: Also lebt deine erste Kutte in Teilen noch weiter. Meine Erste war bzw. ist ein altes, olivgrünes BW-Oberhemd mit abgeschnittenen Ärmeln. Naja, genug davon und zurück ins Heute. Wie sieht denn deine aktuelle Kutte aus und würdest du sie als fertig bezeichnen?

David: Es gibt keine fertigen Kutten! Irgendwas kann man immer machen. Hier mal 'nen neuen Pin, da mal 'nen neuen Patch, oder was tauschen. Irgendwas geht immer und sei es neuer Siff und Dreck vom letzten Festival *lacht*. Vorne dominiert Death Metal alter Schule aus allen Ecken der Erde und ein wenig Thrash, Doom, Stoner und was sonst so gefällt. Hinten ist eine reine Huldigung an meine große Liebe, dem schwedischen oldschool Death Metal. 'Nen fetten, extra für mich angefertigten Dismember Backpatch und dann eine Mischung aus alten und neuen Bands, Hauptsache sie fröhnen dem guten, alten Stockholm Sound. Als kleine Anerkennung an die Göteborger Szene durfte ausnahmsweise At The Gates mit drauf *lacht*. Fertig ist sie absolut nicht. Erst grade hab' ich die linke Front total leer gemacht, um sie neu zu gestalten. Im Laufe des nächsten Jahres wird dann auch die Rückseite ein großes Update erhalten, aber wohl erst nach der Festival Saison. Desweiteren bastel ich grad an einer Lederweste für den Alltag, da die Jeanskutte mit den Ketten und Patronen hinten drauf im Alltag etwas unpraktisch ist. Die Lederkutte wird dann eher Black/Thrashig werden. Dauert aber auch noch... Leder nähen ist echt die Pest *lacht*.

UG: Oh ja, das kenne ich. Ohne Ledernadel, Fingerhut und Kombizange geht da gar nichts. Was macht deiner Meinung nach eine gute Kutte aus? Was sollte unbedingt drauf sein, was geht gar nicht?

David: Jaja, die ewigen Diskussionen. Mit Kragen, ohne Kragen, mit Knöpfen/Taschen, ohne Knöppe/Taschen, schwarz oder blau, wenig Patches oder zugeballert... blabla. Es gibt nur eine einzige Regel: Authentisch muss sie sein! Egal welche Optik oder welchen Musikstil man bevorzugt, sollte man einfach merken, dass der Besitzer sich ein paar Gedanken gemacht hat und voll hinter seinem Lappen steht. Ein bisschen Mühe geben beim Nähen und hier und da mal auf Tipps von erfahrenen Kuttenträgern hören schadet allerdings auch nicht. Wer sich husch husch 'ne schnelle Kutte aus einem der bekannten Merchandisekatalogen zusammenklatscht, nur um cool auszusehen, der muss sich dann auch nicht wundern, wenn er Spott und Häme erntet. Letztendlich entscheidet der persönliche Geschmack. Ich persönlich würde sagen 'nen Backpatch sollte sein... Die Kutten ohne BP, die ich bisher gesehen hab', sahen immer ziemlich bescheiden aus.
 
UG: Jeans- oder Lederweste? Oder vielleicht etwas ganz anderes?

David: Geht beides. 'Ne traditionelle Jeansweste is' klasse, aber auch 'ne dezent benähte Lederweste kann geil aussehen. Alles andere sollte man lieber sein lassen... sieht meist kacke aus - ich weiß das *lacht*!

UG: Ich glaube, das muss man aber auch einfach mal selbst durchgemacht haben. Du bist Administrator der Facebook-Gruppe "METAL KUTTEN" mit derzeit über 3.100 Mitgliedern. Erzähl uns doch etwas über diese Gruppe!
 
David: In der Gruppe können Kuttenträger ihre Kutten vorstellen und der Meinung der restlichen Meute zum Fraß vorsetzen *lacht*. Zudem kann man noch alles, was man so für seine Kutte braucht, kaufen, tauschen und verkaufen. Ich bin nicht der Gründer der Gruppe. Die bestand schon ein Weilchen als ich dazu kam. Da hatte sie um die 2000 User. Anfang 2014 wurden dann neue Admins gesucht und ab da war ich dabei. Kurz darauf meinten die beiden Grundadmins wohl doch alleine weitermachen zu wollen und setzten alle anderen Admins kommentarlos ab. Einige Zeit später verließ dann auch Ruppi als Admin und User plötzlich die Gruppe und setzte den Alex aus 'ner anderen Kuttengruppe ohne zu fragen als Admin ein. Da dieser aber nicht wollte, fragte er mich und ich übernahm dann allein die Gruppe, weil ich keine Lust mehr hatte meine Zeit zu investieren und dann wieder kommentarlos gegangen zu werden. Nun hab ich die alleinige Macht *lacht*. Vor mir war die Gruppe ziemlich unmoderiert. Die User konnten also tun und lassen was sie wollten und die üblichen Anzeigen für Sonnenbrillen und Turnschuhe waren Alltag. Ich hab dann ein gewisses Maß an Regeln eingeführt, damit es etwas gesitteter zugeht. Klappt auch nicht immer, aber im Internet geht's manchmal seltsam zu. Einmal im Monat such' ich 'ne Kutte 'raus, die etwas hervorsticht und mache sie zur Kutte des Monats. Sie ziert dann einen Monat lang das Gruppenfoto und in Zusammenarbeit mit dem Deaf Forever wird das Ganze noch in der Rubrik "Kumpels in Kutten" im Deaf Forever präsentiert. Ende des Jahres konnten die User dann unter den Monatskutten die Kutte des Jahres wählen und es gab zwei kleine, nette Preispakete zu gewinnen. Vor Weihnachten habe ich zusammen mit DER Neuentdeckung auf dem deutschen Metalmarkt "Mantar" eine limitierte Auflage an Patches hergestellt bzw. herstellen lassen. Mal sehen was noch so kommt...

UG: Alleinherrscher mit über 3000 willigen Schergen *lacht*. Hat das Tragen einer Kutte etwas mit Tradition, also den traditionellen Metal-Richtungen, zu tun oder warum sieht man zum Beispiel im Core-Breich so gut wie keine Kutten? Was also unterscheidet Kuttenträger von anderen Metal-Fans?
 
David: Coremucke hat ja 'nen anderen Hintergrund. Auch Metalcore ist, was so das Äußere der Anhänger angeht, näher am Hardcore und Punkrock. Metalsparten wie Death, Black oder Thrash Metal sind ja klar vom traditionellen Heavy Metal geprägt. Menschen sind in der Regel Herdentiere und ich meine damit auch die ach so misanthropischen Blackies *lacht*. Kutten sind dann ein gutes Mittel zu zeigen, dass man "dazu" gehört und einem gewissen Lifestyle folgt und Metal nicht einfach nur so nebenbei konsumiert. Momentan ist Metal ja groß in Mode und es gibt sogar bei H&M Fertigkutten und Slayer Shirts. Da wird die Szene von Mode-Metallern überflutet und selbst sowas Spezielles, wie Kutten, wird Mainstream. Das Gute an Modetrends ist aber, dass sie schnell wieder vorbeigehen und übrig bleiben dann wieder die, denen das Ganze wirklich etwas bedeutet. Ich seh' das eher entspannt und das wird schon wieder vorbeigehen.

UG: Da gebe ich dir absolut Recht. Der Metal hat schon so einige Trends überlebt. Aber angenommen ein junger Metalhead, vom Trend angefixt, will sich eine Kutte zulegen. Er kommt zu dir und bittet dich um Tipps. Was rätst du ihm?

David: Guck dir an, was es gibt, lass dir Zeit und mach DEIN Ding. Sowas entwickelt sich und in ein paar Jahren wirds eh was anderes sein als heute - sieht man ja deutlich bei mir. Wenn's Kritik oder auch nen Shitstorm gibt, nimm's locker. Filter die für dich guten Tipps 'raus und überdenke sie und scheiß auf den Rest. - Nicht gleich heulend davon rennen. Das is' Metal, da sollte man auch mal 'nen derberen Ton abkönnen und nicht gleich zu Mami rennen.
 
UG: Höchstens um sich Patches aufnhähen zu lassen! Bei vielen Heavy Metal Clubs, aber auch bei "freien" Metallern werden Kuttentaufen vorgenommen. Es werden Bier und diverse andere  (Körper-)Flüssigkeiten darüber gegossen, um die Kutte zu "weihen". Kult oder Wahnsinn?

David: Ganz klar beides *lacht*. In Clubs haben Biertaufen ja Tradition um den Träger und seine Kutte mit in den erlauchten Kreis aufzunehmen, bzw. die Dazugehörigkeit aufzufrischen. "Freie" Metaller machens wohl eher, weil sie keinem Club angehören, sich aber so irgendwo zugehörig fühlen. Draufpissen machen wohl eher Spezialisten Marke Drachenlord und über alle anderen Körperflüssigkeiten mag ich gar nicht Nachdenken *lacht*.
 
UG: Welcher Patch ist für dich "der Heilige Gral"? Mal angenommen, dieser würde in deinen Besitz gelangen: Aufnähen oder hinter Glas aufbewahren?
 
David: Die "Heiligen Grale" besitze ich alle. Alle offiziellen Dismember Patches befinden sich schon in meinem Besitz. Ich suche höchstens noch ein Exemplar des Flowing Stream Patches. Den hab ich zwar schon, finde ihn aber ums verrecken nicht wieder. Wirklich ein Heiliger Gral wäre die Dismember Gürtelschnalle, wie sie bei David Blomquist oft zu sehen war. Aber das bleibt wohl ein Traum.

 UG: Und zu guter Letzt zur Knack-Frage: Waschen oder nicht waschen?
 
David: Nicht waschen! Liegt aber nicht daran, dass ich auf Gestank stehe, sondern dass viele Aufnäher und alte Kutten die mechanische Belastung einer Waschmaschine oft nicht überleben würden. Wenn mal zu viel Siff drauf ist 'ne Runde durch den Regen und gut is'.

UG: David, Danke für das Gespräch.


Das Interview führte Lawbringer für Undergrounded mit David von Metalkutten.de. Eine Betrachtung über Kutten im Allgemeinen gibt es in unserem Blog.
 

Ghostwriter

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