Eine Betrachtung der Causa Flesia
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Eine Betrachtung der Causa Flesia

Das Ghosts of Dinmin feierte am vergangenen Wochenende seine erste Ausgabe. Im Norden Deutschlands, inmitten der Wälder von Demmin, unweit eines Sees in der absluten Idylle gelegen, wurde der Grundstein zu einem sich hoffentlich neu etablierenden Festival gelegt.

  • von Anna Apostata
  • 22.09.2022

Zum Rahmen des Festivals gehörte, dass ausgewählte Labels vor Ort waren, sodass das Publikum neben dem Merch der Bands des grandios zusammengestellten Line-ups einiges zu stöbern hatte. Für das leibliche Wohl wurde mehr als ausreichend gesorgt und die Kälte des einziehenden Herbstes wurde zu späterer Stunde durch Lagerfeuer und eine Feuershow entgegengewirkt. 
Das Publikum war bunt gemischt und die Veranstaltung verlief ohne Zwischenfälle, doch die Unruhen wurden nach dem Festival mit viel räumlicher Distanz auf digitalem Boden nachgeholt. 

Flesia war eine der 19 Bands, die sich auf dem Ghosts of Dinmin präsentieren konnten und diese Chance auf der Bühne durchaus zu nutzen wussten. Die noch relativ junge Band, die sich erst vor zwei Jahren gründete, veröffentlichte im vergangenen Jahr ihr Debütalbum und schob unlängst eine EP hinterher. Mit ihrer Spielart im Black Metal haben sie sicher das Rad nicht neu erfunden, jedoch gut gebaut - ein grundsolider Auftritt mit zwar noch etwas schüchterner, aber griffiger Bühnen-Performance wurde durch die Band abgeliefert und blieb in den Köpfen der Zuschauer. Am Tag nach dem Festival überraschte das Trio mit einem Statement, welches sie über ihre Kanäle in den Sozialen Medien herausgegeben haben: 

„We were informed that on the ‚Ghosts of Dinmin‘ festival on Saturday a band performed, which from our point of view and according to our research represents values and contents, which we cannot leave uncommented and which seems to have no fear of contact with the NSBM scene or is even part of it. If we had known earlier that this band would perform, we would not have played. The line up of the festival changed several times in advance and we missed the announcement for the mentioned band. We should have been more accurate and attentive here and are aware of this mistake. We will learn from this and in the future we will not only do the background checks directly after the request. See for this among others: Flesia is a black metal band. The three of us know from which inhuman tendencies this music has arisen among other things and that the black metal sceneuntil todayis not afraid to keep its doors open for right-wing and extreme right-wing ideas. After careful consideration, we made a conscious decision to perform at this festival. As part of the black metal scene – more or less at least – we want to set a contrast to the prevailing supposedly „apolitical“ and right-wing open consensus and bring in our points of view as individuals and band, in order to maybe someday contribute a small part to change and shake the unacceptable conditions. Concerts outside our mostly safe bubble are part of this approach (although this idea is certainly debatable as well). We ourselves saw on Friday which tendencies were openly carried via symbols or merch of relevant bands. Thereby it was by no means a matter of individual cases. If, among other things, the inscription „Aryan Black Metal“ framed by black suns is tolerated, the ‚Ghosts of Dinmin‘ festival is a place that tolerates and provides space for right-wing and extreme right-wing ideas. The conversation with the organizers has not yet been sought on our part. We simply felt too alone and without allies in the midst of the festival to want and be able to initiate these debates. We have experienced a professionally run festival and do not impute per se right-wing ideas to the organizers. Nevertheless, it is clear to say that for the team behind the festival there seems to be no fear of contact with the NSBM scene. This is true for the band selection as well as for the door policy. We assumed in advance a different awareness in this context and have now been proven wrong. We will also learn from this for the future. 
FUCK NSBM! 
FLESIA 
J & N & F“ 

Dass diese Aussage für einen ordentlichen Sturm im Wasserglas sorgen würde, war vorprogrammiert. Jugendlicher Leichtsinn, Unerfahrenheit und fehlende Weitsicht könnten Gründe sein, mit denen dieses Statement nun abgewunken werden könnte. Damit ist es aber nicht getan. Die möglichen Folgen eines solchen Statements mit derartigen Anschuldigungen und Verunglimpfungen sind in der Vergangenheit viel zu oft der Anfang vom Ende von neuen oder auch etablierten Veranstaltungen gewesen - oft auch mit ernsthaften Auswirkungen für andere Bands und die Veranstalter, nicht selten bis in den privaten Bereich hinein. 

Das Statement von Flesia vermittelt final den Eindruck, als wäre vor Ort ein Großteil des Publikums und in aller Konsequenz auch Security, Crew, anwesende Labels und Presse dem rechten bis rechtsextremen Milieu zuzuordnen gewesen, was an dieser Stelle definitiv zurückzuweisen ist. Zumal zur ganzen Wahrheit auch dazu gehört, dass links-offenes Publikum vor Ort war, sowie links-politische Statements sowohl auf der Bühne, als auch auf Shirts kommentarlos toleriert wurden; aus dem Publikum war stets zustimmendes Klatschen zu vernehmen. 

Der Nackenschlag, der mit diesem Statement vollzogen wurde, ist das, was am Bittersten aufstößt. Hier wurde einer noch nicht sehr erfahrenen Band bei einem neuen Festival mit brillantem Line-up im wahrsten Sinne eine Bühne geboten, die sie selbstverständlich dankend betraten – wohl wissend, was für ein angeblich schreckliches Publikum gerade zuschaut, ja eventuell sogar noch Merch kauft –, griffen Gage/Spritgeld und den Merchverkauf ab und schadeten dann im Nachgang dem Namen des Festivals nachhaltig, indem öffentlich ein Bild kreiert wurde, welches nicht der Realität entspricht. Dies wird ganz offenkundig durch die von der Band selbst eingestandene Feigheit in Kauf genommen, die eigenen Empfindlichkeiten gegenüber dem Veranstalter nicht kommuniziert zu haben. Selbst nach dem Festival gab es doch die Möglichkeit, eine persönliche Nachricht oder E-Mail zu schreiben. Nun wurde die schmutzige Wäsche aber lieber ins Netz bzw. die Öffentlichkeit gezerrt und stellt nicht zuletzt jeden in ein schlechtes Licht, der sich aus einer Anwandlung einer vermeindlich moralischen Verpflichtung nicht von den aus ihrer Sicht inakzeptablen Gästen und Bands distanziert hat. Dabei sollte sich niemand zu einer Aussage gezwungen fühlen - warum auch?

Für uns ist das der Punkt, an dem etwas genauer auf das Statement und auch auf die Kommentare der Band geschaut werden sollte und an dem dann auf eine Menge Widersprüche gestoßen werden kann: Am 01.09. - also mehr als zwei Wochen vor dem Festival - wurde die Running Order veröffentlicht, in der alle Bands mehr als deutlich aufgelistet waren. Am 09.09. wurde der finale Flyer mit allen Logos veröffentlicht – eine Band, die großes Interesse hat, nicht mit den aus ihrer Sicht „falschen“ Bands die Bühne zu teilen, sollte doch am Geschehen rund um das Festival angeschlossen sein? Und ja, Flesia gestehen ein, dass sie das nicht mitbekommen haben, und sehen den angeblichen Fehler mitunter bei sich selbst. Gleichzeitig kritisierten sie aber auch die Door Policy. 
Ihnen ist also nicht nur wichtig, mit welchen Bands sie auf dem Flyer stehen, sondern auch, welches Publikum ihnen zuschaut. Und spätestens da hätten sie die Zähne auseinander kriegen müssen. Für die eigenen Überzeugungen einzustehen und wirklich zu zeigen, dass diese nicht nur Lippenbekenntnisse sind, war der Band aber noch nicht mal eine Tankfüllung aus der eigenen Tasche wert: „[…] die Kohle ist in den Tank geflossen. Und wir denken, dass es schon in Ordnung ist, wenn wir die uns entstandenen Unkosten decken und im Glücksfall noch was Kleines übrig ist, um das ständige Draufzahlen ein bisschen zu minimieren.“ (Kommentar der Band auf Facebook). Aus Sicht der Band sollte an diesem Geld doch eigentlich Blut (no pun intended, I swear) kleben. Die Unart des Rosinenpickens zeigt sich hier auf ganz besonders hässliche Art und Weise. 

Und dann wiederum – auch wenn ihnen das volle Line-up nicht präsent gewesen sein soll – haben sie sich bewusst für den Auftritt entschieden, um dem unpolitischen und vermeintlich rechten Flügel in der Szene etwas entgegenzusetzen: „After careful consideration, we made a conscious decision to perform at this festival. As part of the black metal scene – more or less at least – we want to set a contrast to the prevailing supposedly „apolitical“ and right-wing open consensus and bring in our points of view as individuals and band, in order to maybe someday contribute a small part to change and shake the unacceptable conditions.“. Mit Verlaub ist dies eine sehr löchrige Argumentationskette, die nur schwer ernstzunehmend oder auch nur zu verstehen ist. 

Die Band, um die es Flesia im Speziellen ging, ist im übrigen Blutsturm. Eine Band, die mit Punk-Shirts auf die Bühne ging und ganz offensichtlich in Sippenhaft genommen wurde. Eine unumstößliche Wahrheit ist, dass man nur tief genug in der Historie einer Black Metal-Band graben muss, um etwas zu finden, an dem man Anstoß finden kann. Ja, bei Blutsturm, aber eben auch bei Flesia (Recherchetipp: das Label und die Kontakte und Verbindungen zu gewissen Festivals und deren Line-ups) lassen sich mit der altbekannten Argumentation: „Die Band eines Freundes des Hundefriseurs, der mal bei einem Labelkonzert mit einer Grauzonenband…“ definitiv in die rechte Ecke drücken. Angereichert mit dem „hier ein Burzum-Patch und dort ein anstößiges Tattoo“, sowie einer konstruierten Empörung - und fertig ist der Facebook-Shitstorm. 

Wir hoffen, dass der gelungenen, sehr gut organisierten und diversen ersten Ausgabe des Ghosts Of Dinmin kein Schaden entstanden ist! 
Seitens der Band sollte darüber nachgedacht werden, ob dies das richtige Genre für sie darstellt und ob es die beste Idee ist, sich selbst ins gemachte Nest zu defäkieren. Zumindest aber sollte in Zukunft der Safe Space eines AZs nicht verlassen werden, um sich selbst, Veranstaltern und allen beteiligten an Konzerten bzw. Festivals eine Menge Ärger zu ersparen.

Co-Autor: Grave

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Anna Apostata

Aika, Multaa, Muistot.

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