Interview mit Sunve (Sunvemetal)
Interview

Interview mit Sunve (Sunvemetal)

Sehr oft porträtieren wir Künstler auf der Bühne, aber heute soll es um eine Künstlerin gehen, die praktisch immer im Graben oder hinter den Kulissen zu finden ist. Sunve von „Sunvemetal“ hat sich der Fotokunst verschrieben und kennt nicht nur die Härte der Szene, sondern auch eigentlich alles was Rang und Namen hat. Heute wird sie ein wenig für euch aus der "Fototasche“ plaudern.

  • von Ghostwriter
  • 08.01.2016


UG: Hallo Sunve!


Sunve: Hey Grave!

UG: Erzähl unseren Lesern doch ganz kurz, wer du bist und was du tust.


Sunve: Kurz und knapp, ich bin die Fotofee hinter „Sunvemetal“. Was genau heißt das? Seit Mitte 2012 ist Sunvemetal professionell im Konzertfotografiebereich unterwegs, das heißt ich bin eine der Nasen, die sich im Graben tummeln oder zwischen Kabeln und PA auf der Bühne umherschleichen, um ein Konzert visuell bestmöglich einzufangen. Fernab dessen sind auch Bandshootings, Projektarbeiten für Alben oder anderlei szenebezogene Aufträge, Tourdokumentationen, Videos und Flyerdesign mit im Repertoire. Neuerdings versuche ich alles ein wenig mehr in Richtung Malerei zu schieben. - Da darf man gespannt sein, was kommt.
 
  

UG: Ich habe den Begriff „Sunve“ gegoogelt und außer einer chinesischen Pharmazieseite und deinen Bildern nichts gefunden – Was bedeutet dein Künstlername für dich bzw. allgemein und wie ist „Sunvemetal“ schlussendlich entstanden?


Sunve: „Sunvemetal“ war 2011 ein fotokünstlerischer Zusammenschluss aus Caelumi Photography (heute: MTHS VIS), einer Freundin von mir, und Lunarjyaworks, meiner Wenigkeit. Nach knapp einem Dreivierteljahr wurde es allerdings aufgrund mangelnder Zeit meiner Partnerin zu meinem alleinigen Projekt. Zu zweit waren wir damals als Amateurfotografen für die BML (Berlin Metal Legion) unterwegs, ein Onlinemagazin, was ein Freund von uns in Berlin neu gegründet hatte. Nachdem Sunvemetal zu meinem Einzelprojekt geworden war, beschloss ich es auf ein professionelles Level zu heben und unabhängig, respektive höchstens als Freelancer, für einige Magazine zu arbeiten. Das war sozusagen der Beginn von „Sunvemetal“ wie du es heute kennst. 
„Sunvemetal“ an sich ist ein Neologismus und es ist genau intendiert, was du festgestellt hast: Via Suchmaschinen findet man fast ausschließlich meine Bilder. Es sollte ein kurzer, einprägsamer Name sein, der noch nicht existiert. Die Abkürzung zu „Sunve“ kam später. Plötzlich nannten mich alle einfach so und da habe ich es in Folge als offiziellen Künstlernamen übernommen. 
 
UG: Du hast gerade dein Studium der Psychologie beendet oder bist noch dabei - Die Frage die wohl viele interessiert: Kannst du von deiner Kunst leben, willst du das überhaupt oder was sind deine Pläne in der Arbeitswelt?


Sunve: Von meiner Kunst vielleicht, von Fotografie und im Besonderen Metalfotografie, nein. Ich hatte eine Phase, wo ich es ausprobiert habe, ob es prinzipiell möglich wäre, allein von meiner Fotografie in der Metalszene zu leben. Das hat mir gezeigt, an sich wäre es das. Allerdings hätte ich als Folge dieses Experimentes fast meine Fotografie an den Nagel gehängt. Du hängst plötzlich finanziell von etwas ab, was eigentlich aus Herz und Seele kommen sollte. Sprich, du musst Jobs annehmen, die dich eigentlich gar nicht interessieren. Das tötet Kunst. Es gibt genug tote Bilder, die derzeit alles überschwemmen und meine sollen nicht dazu gehören. Auch ein Grund, warum ich mich mehr in Richtung Malerei bewege und bewegen werde. Mit zwei Standbeinen ist die Chance größer, allein Jobs wählen zu können, die einen inspirieren. Sollte das nicht der Fall sein, nunja, ich studiere (ja, immer noch, um deine Frage zu beantworten) ja nicht umsonst. Ein Dayjob als Ausgleich ist manchmal nicht die verkehrteste Idee, wobei auch dann nur selbstständig.
 
UG: „Du hängst plötzlich finanziell von etwas ab, was eigentlich aus Herz und Seele kommen sollte.“ Das hast du schön gesagt und im Grunde schon die Seele von dem erklärt, was Undergrounded bedeutet. Viele Fotografen der Szene machen nebenher ja noch „Tod und Teufel“ und fotografieren praktisch alles – Konzerte, Interviews, Presse, Politik, Natur etc. - Gibt es etwas was du auf gar keinen Fall machen würdest bzw. willst, oder was ist dein Kontrastprogramm zur Band/Konzertfotografie?


Sunve: Wenn du allein von Fotografie leben willst oder zumindest einen signifikanten Nebenverdienst haben willst, ist das meist auch notwendig – mal von monetärer Seite beleuchtet. Aber ja, auch viele non-kommerzielle Hobbyfotografen fotografieren in extrem verschiedenen Bereichen. Das zeigt aber eher die generelle Leidenschaft für die Fotografie, würde ich meinen.
Haha, ja, mein Kontrastprogramm zum Metal ist wohl Politiker zu fotografieren, Babybauchshootings, Hochzeiten und alles, was man sich so vorstellen kann. Wobei das manchmal vom Metal gar nicht so weit entfernt ist mit dem entsprechenden Klientel. Dinge, die ich fototechnisch nie machen würde, habe ich bis jetzt nicht entdeckt. An sich alles, was sterbenslangweilig und hoch monoton ohne Abwechslung wäre, aber bis jetzt konnte ich mich noch für absolut alles begeistern, wo Fotografie involviert war. 
 
UG: Jeder, der deine Bilder schon einmal bewusst oder unbewusst gesehen hat, wird erst einmal ins Staunen geraten sein, sind sie doch kleine Kunstwerke für sich. In welchen Part steckst du am meisten Zeit bei der Nachlese und wie findest du das richtige Motiv?

Sunve: Danke für die Blumen. In was ich am meisten Arbeit stecke, hängt von der Situation ab. Technisch gilt, je bescheidener die Lichtsituation, desto länger die Nachbearbeitung. Aber ja, was du sagst, dass meine Bilder „Kunstwerke“ seien, trifft den Kern. Sobald wir über Livefotografie sprechen, sehe ich mich nicht mehr als Fotograf. Mehr als Künstler, denn meine Fotos sind streng genommen keine dokumentarischen Fotos. Was ich versuche, mit meinen Werken auszudrücken, ist die Atmosphäre, die in der jeweiligen Situation präsent war. Und manchmal harmoniert das Lichtsetting oder das Kabelchaos auf der Bühne damit wenig, somit ist nicht selten ein hohes Level an kompositorischer Bearbeitung involviert. An sich bastele ich mir im Nachhinein das „Foto“ so zusammen, wie ich die Realität wahrgenommen habe. Wie ich letzten Endes all das – Motiv, Auswahl, Grad der Bearbeitung – zusammenbringe, ist im technischen Sinne schwer zu erklären. An sich zeigt die Musik der jeweiligen Künstler, die Atmosphäre ihres Auftritts und meine Wahrnehmung dessen den Weg jedes Mal neu.
 
UG: Gibt es eigentlich ein spezielles Foto, das dir persönlich am nachhaltigsten in Erinnerung geblieben ist und magst du uns die Story dazu erzählen?


Sunve: Es sind niemals Fotos, die mir in Erinnerung bleiben. Fotos sind nur das Medium zum Einfrieren der Atmosphäre und Energie eines Konzertes. Letzteres ist es, was mir in Erinnerung bleibt. An sich gibt es viele, denn du kannst schwer vergleichen. Zwei signifikante, die für mich einen sehr nachhaltigen Effekt hatten, war Behemoth 2012 auf der Full of Hate Tour und die Sonnenwendzeremonie 2014 auf dem Funkenflug zu den Klängen von Halo Manash. Ersteres Foto, seit langem der Header meiner Seiten, zeigt Nergal. Es war die erste große Tour, nachdem er den Kampf gegen Leukämie gewonnen hatte. Kurz vor dem Beginn von 'Conquer All' war die Bühne in Gegenlicht getaucht, er betritt sie, streckt die Arme aus und donnert ins Publikum ”It feels good to be alive. It feels fucking great to be alive!“

Auch wenn das auf Tour jeden Tag passierte, war die Energie doch so immens, dass du glaubtest, er täte es zum ersten und einzigen Mal. Die Energie hat dich praktisch umgehauen und hat gezeigt, wie verdammt ernst diese Worte gemeint sind. Das zweite Bild entbehrt jedweder Worte. Ich denke, es transportiert hinreichend, was diese Nacht ausgemacht hat.  
 
 
UG: Ich habe vor kurzem mitbekommen, dass du, ganz ähnlich wie viele Bands, mit Raubkopierern zu kämpfen hast. – Kommt das oft vor und wie reagierst du?


Sunve: Ja, leider. Besonders in Südamerika scheint noch niemand von dem Begriff „Copyright“ gehört zu haben. Aber davon kann wohl jede Band ein Lied singen. Auch gibt es immer mal wieder Bands, die respektlos ohne Einverständnis Fotos von meinen Seiten kopieren, wobei das in letzter Zeit fast nicht mehr vorgekommen ist. Muss sich wohl herumgesprochen haben, dass ich zum ungemütlich-aggressiven Berserker werde, wenn so etwas passiert *lacht*. Was mich wirklich schockiert hat, war, dass einige Individuen meine Fotos geklaut haben, mein Wasserzeichen entfernt und anstelle ihr eigenes platziert haben. Nach kurzem Ärger folgt aber eher Mitleid. Ich meine, wie arm muss man seelisch sein, wenn man die Werke anderer klaut und als seine eigenen ausgibt?!
Wie ich mit all dem praktisch umgehe, ist relativ einfach: weniger Fotos in sozialen Medien, die meisten im Flashformat auf meiner Webseite, dass du sie nicht speichern kannst. Wenn Fotos in sozialen Medien, dann in Kleinformat und mit Watermark mitten im Bild an schwer zu kaschierenden Stellen. Dennoch versuche ich das Wasserzeichen so unauffällig wie möglich zu halten (gar nicht so einfach, wenn zentral im Bild). Es gibt nichts nervtötenderes als eine Signatur, die die Komposition eines Bildes zerstört.
 
UG: Ich denke es ist ähnlich wie beim Drehen. Man muss versuchen unauffällig zu agieren und trotzdem mitten drin zu sein. – Eine Art Verschmelzung mit der Musik ohne die Band oder die Zuschauer zu stören. Für mich persönlich ist es beim Filmen ein Erfolg wenn die Leute fragen: „Wie, da hat jemand gefilmt?“. Was fehlt dir noch auf der Liste von „Muss ich unbedingt noch ablichten“?


Sunve: Funeral Mist und Burzum. – Träumen muss erlaubt sein. 
 
UG: Ich denke das werden harte Nüsse, aber wenn das klappt komm ich auch *lacht*! Aber jetzt mal aus dem Nähkästchen: Die Konkurrenz ist groß und Hauen und Stechen (leider oft) normal. - Was geht dir persönlich im Graben am meisten auf den Zeiger? 


Sunve: Ist sie das *lacht*? Klar, es gibt viele Konzertfotografen, professionell wie Amateur, aber es gibt etwas essentielles, was die meisten nicht begreifen. Selbst wenn du technisch gut fotografieren kannst und eine tausende Euro schwere Ausrüstung hast, du brauchst einen eigenen Stil. Etwas, was unverwechselbar nur dich repräsentiert. Das missen die Meisten. Deshalb interessiert es mich zum Beispiel auch wenig, wenn jemand anfängt, meinen Stil längerfristig zu kopieren. Abgesehen davon, dass es eher ein bemitleidenswerter Mangel an Kreativität ist, am Ende ist es eher Werbung für mich als das es betreffenden Copycats in irgendeiner Weise Vorteile bringt. Für all solche Leute musst du deine Energie und Gedanken nicht verschwenden. Es gibt ernsthaft wenige Fotografen, die ich als wirklich gut, als Bereicherung bezeichnen würde. Welche, die es geschafft haben, ihren eigenen beeindruckend distinktiven Stil zu entwickeln und diese sehe ich nicht als Konkurrenz. - Im Gegenteil! Sie sind Kollegen, oft Freunde, deren Arbeit ich sehr zu schätzen weiß und mich immer wieder freue, ein Bild von ihnen irgendwo in Print oder Online zu finden - konträr zu dem ganzen visuellen Müll der sonst die Medien verkleistert.
 cc Mathias Kreuzer
        

UG: Zum Abschluss noch unsere traditionelle „Was wäre wenn Frage“: Stell dir vor du triffst dein jüngeres „Ich“ vor 10 Jahren und könntest dir einen Tipp geben - Welcher wäre das?


Sunve: Ich lebe mein Leben nach dem Motto mir niemals „was wäre wenn“-Fragen stellen zu müssen. Wenn du in der Lage bist deiner inneren Stimme zuzuhören und ihr zu folgen, gibt es nichts, was du rückblickend würdest anders machen wollen. Es gibt für mich keine bessere Version meiner Realität als die, in der ich gerade lebe. Demnach keine Tipps. 
 
UG: Na aber dann ja vielleicht ein Selfie zusammen?! *lacht* Vielen Dank für deine Zeit und wir sehen uns bestimmt bald an der „Front“!


Sunve: Worauf du wetten kannst! Vielen Dank für das Interview!

 

Das Interview führten Sunve von Sunvemetal und Grave für Undergrounded.
 

Ghostwriter

+