Interview mit Matthias Galbacs (Amplifon)
Interview

Interview mit Matthias Galbacs (Amplifon)

Die Karriere von Matthias Galbacs ist so gradlinig wie die Hörner eines veritablen Walliser Schwarzhalsbocks. Nach dem Studium an der Hochschule für Musik in Detmold und einem dazugehörigen Ausflug an die Universität in der Heimatstadt von Gevatter Tod bzw. Wien, gab er sich für eine ganze Weile einer anderen Passion, dem Kochen hin. Einer Koch-Lehre folgten mehrere Jahre in der Gastronomie z.B. im Carat Golf- & Sporthotel oder dem Maritim Hotel Ulm, bevor er wieder zurück in musikalische Gefilde wanderte und sich der Hörakustik widmete, wo er unlängst den Meister-Rang erhielt. Zeit für uns, Matthias zu einem kleinen Interview zu bitten, in der es vor allem um Hörgesundheit alternder Metalheads gehen soll!

  • von Grave
  • 03.10.2022

UG: Servus Matthias!

Matthias: Servus Grave!

UG: Allem voran – wie kommt man zu so einem Lebenslauf?
Matthias: Eigentlich habe ich immer das beruflich durchgezogen, was mich interessiert. Der klassische Tonmeister kam aus Interesse an Musik, Technik und Ingenieurwesen. Professionell zu kochen kann sehr sexy sein (und vor der Ausbildung konnte ich nicht einmal richtig Pasta kochen, ohne mich schwer zu verletzen). Der Hörakustiker kam dann eher zufällig, in einer Phase, in der ich mir geregelte Arbeitszeiten und mehr Freizeit gewünscht habe. Vieles aus der Tontechnik lässt sich dort anwenden, aber das Arbeiten mit Schwerhörigen, Hörgeräten, Gehörschutz, In-Ear-Monitoring, Fachberatung usw. ist nochmal eine Herausforderung für sich.

UG: Ein definitiv gesunder Ansatz nicht stehen zu bleiben und seinem "Herz" bzw. Interessen zu folgen. Trotzdem könnte man sagen, dass das Thema "Musik" dich nicht losgelassen hat. Wie ging es hier für dich los?

Matthias: Meine Eltern sind beide klassische Berufsmusiker, Vater Geiger, Mutter Pianistin. Ich durfte mit 6 Jahren schon ans Cello, habe dann bis ins Studium hinein in verschiedenen Besetzungen und Formationen auf der Bühne gestanden / gesessen, von Klassik bis Metal, von Volklore bis Jazz, solo bis Sinfonieorchester. Zum Metal kam ich dann über die "Apocalyptica Plays Metallica", von denen wir zur Schulzeit schon Songs in zwei Bands gecovert haben, die es heute leider nicht mehr gibt.

UG: "Das Plek fällt halt nicht weit vom Violoncino", - wie der Neu-Schwabe so sagt lacht. Wie würdest du deinen Musikgeschmack heute beschreiben?

Matthias: Mein Musikgeschmack - hervorragend breit lacht was bei mir immer geht sind alte Maiden, Sabbath, Priest, Korpiklaani, Rammstein, Kreator uvm.; öfter mal Dimmu Borgir, Taake oder Marduk. Wenn es soft werden soll, The Offspring, Ärzte, Kiss, Alice Cooper. Zum Putzen oder Bügeln Sabaton. Ich bediene mich auch je nach Laune auch der klassischen Musik (das würde jetzt jeden Rahmen sprengen), den Comedian Harmonists, Louis Armstrong und den Mills Brothers - bei passender Stimmung auch Musik von Helge Schneider, den Ursprung Buam, oder den Biermösln Blosn mit Gerhard Polt.

UG: Ich hätte nicht fragen dürfen, aber da kann man nur gratulieren und bevor ich zu viel über die Germösl Bierpoltlbuam frage, würde mich dein aktueller Job interessieren. Was genau machst du denn bei Amplifon?

Matthias: Größtenteils versorge ich Menschen mit diagnostizierter Hörminderung von Jung bis Alt mit Hörgeräten, lasse Gehörschutz nach Maß anfertigen, seltener In-Ears beispielsweise für Musiker im Live-Einsatz, mache Fachberatung und alles drum herum. Ich bin im Radius des ganzen Bundesgebietes angestellt und arbeite abwechselnd da und dort, wo mich meine Zentrale hin bittet - mal als Unterstützung, mal als Betriebsleitung, mal als Mädchen für alles.

Bilderquelle: Signia.net

UG: Das klingt ziemlich versatil! Bevor ich in das Thema "Hörgesundheit" einsteigen würde, würde ich gern über die Prophylaxe sprechen. Was kann Metalhead tun um sein Gehör so lange wie möglich zu behalten bzw. um Schäden vielleicht gar nicht erst entstehen zu lassen?

Matthias: Zu allererst Gehörschutz, wann immer es richtig laut wird oder knallt. Die Lieblingsmusik über Kopfhörer ruhig mal aufdrehen und genießen, dann aber runterdrehen oder sich eine Pause gönnen. Mich freut es übrigens sehr, dass ich auf Konzerten und Festivals nicht nur vermehrt Kinder mit "Mickeymaus-Gehörschutz" sehe, sondern auch gestandene Weibsbilder und Kerle, die sich schon beim Sound Check was ins Ohr schieben, um die Lieblingsmusik noch lange genießen zu können. 

Dann: inneren Stress vermeiden, auf gute cardiovasculäre Aktivität achten, sich gesund und vielseitig ernähren. Alles, was Durchblutung und Nerven betrifft, beeinflusst auch Hörvermögen und Sprachverstehen. Ab und zu einen Hörtest beim HNO-Arzt oder Hörakustiker nebenan machen, um zu schauen, ob die Ohren noch ihren Dienst tun, wie sie sollen. Beim Hörsturz sofort zum Arzt oder ins Krankenhaus, je schneller desto besser.

UG: Okay, da sind ein paar interessante Aussagen drin! Du sagst ein bisschen laut ist Okay wenn man sich danach oder dazwischen eine Pause gönnt? Bzw. man kennt das ja wenn man nach einer langen Eventnacht die Ohren dröhnen hat und alles irgendwie in Watte gepackt ist, das erholt sich wieder wenn man es nicht permanent übertreibt?

Matthias: Bei Lautstärken über 85dB macht die Dosis das Gift. In unserem Mittel- und Innenohr befinden sich Schutzmechanismen, die temporär gegen lauten Schall schützen, wie der Stapediusreflex, der 2-3 Sekunden braucht, bis er einsetzt. Darum: Achtung vor lautem Impulsschall, der geht durch wie ein Messer durch die Butter und kann schon einmalig permanente Schäden am Innenohr anrichten! Dort sitzen Haarsinneszellen, die bei lautem Schall komprimieren, heißt, reduzieren laute Pegel bis zu einer gewissen Grenze. Wenn zuviel, dann sterben sie ab. Haarsinneszellen sind Nervenzellen, die sich nicht teilen bzw. vermehren, d.h., was kaputt ist, bleibt kaputt für das gesamte restliche Leben. Das gilt für Konzertbesucher wie für professionelle Orchestermusiker, Toningenieure, Arbeiter im Lärmbereich, Kindergärtnerinnen, Grundschullehrerinnen, Gleisbauer [...]. 

Es wird pathologisch nicht unterschieden zwischen Lärm- und Musikschwerhörigkeit. Mit vielen Hörschädigungen geht ein Tinnitus einher, der "Mann im Ohr", der sich als Pfeifen, Brummen, Rauschen, seltener als Kreischen oder Knacken äußern kann und der in Ruhe hörbar wird und kommt, um meistens für immer zu bleiben. Es gibt für fast jede Lärmsituation einen passenden Gehörschutz, den ich empfehlen würde, zu nutzen. Maßangefertigt.

UG: Welche Hörgerät-System unterscheidet man denn konkret bzw. kann man das einteilen?"

Matthias: Klassisch gibt es drei Bauformen: das Hörgerät hinter dem Ohr, das Im-Ohr-Gerät und der Hybrid aus beiden, bei dem sich der Lautsprecher im Gehörgang befindet und der Rest der Technik hinter dem Ohr (siehe Bild).

UG: Man bekommt ja auf den Konzerten fast immer dieses Standard-Gummistopfen für nen knappen Euro, taugen die etwas oder welche konkrete Alternativen gibt es wenn mann nicht gerade nen kompletten Baukopfhörer draufpacken mag?

Matthias: Die Schaumstoffstöpsel sind besser als nichts, sitzen halt irgendwie im Ohr, dämmen undefiniert und rutschen vielleicht nach wenigen Sekunden wieder heraus. Selbiges gilt für angekaute Taschentuchbobbel, Gehörschutz aus Wachs oder Lamellengehörschutz. Maßanfertigung nach Ohrabdruck beim Hörakustiker in deiner Nähe ist immer DER Shit: sitzt passgenau in den Gehörgängen, dämmt linear und definiert, kann bei guter Pflege auch mehrere Jahre halten - und man kann Livemusik wirklich genießen!

UG: "Dieser Beitrag wurde gesponsert von Hörfix - Hörfix, wenn man schnell hören mu..." lacht Aber mal angenommen es ist schon zu "spät" bzw. der Hörschaden ist angerichtet. Wie sollte man sich verhalten? Garnicht mehr auf Konzerte gehen, Abstand halten, gesund essen und Ohrstöpsel tragen?

Matthias: Es gibt Hörminderungen, die reparabel bzw. operabel sind. Da denke ich an Ohrenschmalzpfropfen, die durch jeden niedergelassenen HNO-Arzt innerhalb weniger Minuten entfernt werden können. Risse im Trommelfell, Gehörgangswucherungen, Schäden an den Gehörknöchelchen oder an deren Bändern, Paukenergüsse uvm. können in vielen Fällen medikamentös behandelt oder operativ entfernt werden. Für permanente, leichte bis an Taubheit grenzende Hörschäden gibt es Hörgeräte zum Ausgleich, oder eben Implantate, die man dann in Kliniken eingesetzt bekommt. Wichtig ist hierbei die ärztliche Diagnose, an der kein Weg vorbeiführen sollte! Ich selbst plädiere immer für guten Gehörschutz nach Maß, aber der kleine Teufel auf meiner Schulter freut sich immer über neue Hörgerätekunden, weil so mehr Umsatz generiert werden kann. lacht

UG: AHA, also doch "Big Pharma", wir haben es alle schon immer gewusst! lacht Aber dann erstmal Danke für deine Aufschlauung und hoffentlich hört der eine oder andere auf deine Hinweise und Tipps!

Matthias: Ich danke für das Gespräch!

Das Gespräch führten Matthias Galbacs (Amplifon Deutschland GmbH)  und Grave für Undergrounded. Mehr Informationen findet ihr hier:

Amplifon.com
Initiative Hörgesundheit

Grave

Der, der hinter den Reihen wandelt.

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