Nach rund 20-minütiger Umbaupause durften die Hamburger Mannen von Fäulnis ran. Die Band um Sänger Seuche bezeichnet ihren Stil selbst als „Sick Black Art“ und spielt in erster Linie harten Black Metal. Fäulnis war die Band, zu der ich am wenigsten Vorwissen hatte und die obligatorischen ein, zwei Songs, die ich mir am Tag vor dem Konzert angehört hatte, waren mir kaum in Erinnerung geblieben. Umso überraschter war ich von der Leistung, die ich zu sehen und hören bekam; insbesondere Seuche, der charmant in Unterhemd und grauem Sakko gekleidet, die Bühne stürmte (das Sakko aber schon im ersten Song von sich warf) und einfach ablieferte. Räudig, punkig, voller Energie, ohne ruhige Sekunde auf der Bühne, kraftvoll und intensiv, nahezu besessen warf er sich in jeden Song. Mit starker Stimme und einiger Interaktion sorgte er für eine grandiose Stimmung, das Publikum ging voll ab, die Köpfe kreisten – über weite Strecken dank der schnellen und harten Songs ein Abriss. Der Begriff „voll auf die Fresse“ ist ausgelutscht, aber für diesen Auftritt passt er einfach. Gespielt wurden Songs der drei neusten Alben, unter anderem „Metropolis“, „Weil wegen Verachtung“, „Landgang“, „Galgen, kein Humor“ (grandioser Songtitel, by the way), „Block 19, Mahlstrom“ und „Distanzmensch, verdammter!“. Das Ende bildete – laut Seuche wie immer - „weiße Wände“, bei der die Band dieses Mal gesangliche Unterstützung von Marrok bekam, dem Live-Rhythmusgitarristen des Headliners. Ein bockstarker Auftritt, wie man im Schwabenland zu sagen pflegt.
Weitere 20 Minuten später war es dann Zeit für den Headliner. Harakiri for the Sky (HFTS) gehören in meinen Augen zu den talentiersten Bands, die es derzeit gibt. Auch wenn ich keine solche Liste habe, würde jedes HFTS-Album meine Top 50-Liste toppen. Zweifellos hatte Fäulnis einiges vorgelegt und bei den ersten Tönen vom Opener „Calling the Rain“ des aktuellen Albums waren noch einige Zuschauer draußen, sammelten sich aber im Laufe des Songs vor der Bühne. Zu Beginn hüllte sich die Band, die live als Quintett auftritt, in Nebel, der zusammen mit den Lichtern eine schöne Atmosphäre mit sich brachte. Wer bereits einige Live-Auftritte von HFTS gesehen hat, weiß, dass sich Sänger JJ mit Interaktion zurückhält und sich auf die Musik konzentriert. Man kann auf der Bühne sehen, wie ihn die Emotionen während der Lieder durchwandern.
HFTS spielten sich durch ein Set, das natürlich vor allem von „III: Trauma“ geprägt war, jedoch zwei Songs des Debütalbums („Dancing on Debris“ und „12:19am Psychosis“, beim Zweiten bin ich mir jedoch unsicher) und eines von „Aokigahara“ („Burning from both ends“) enthielt: „Funeral Dreams“, „This Life as a Dagger“ und „Viaticum“ bekamen die Zuschauer vom neuesten Output zu hören. Für den letzten Song des Abends "Jhator" bekamen die Österreicher jedenfalls Unterstützung von Fäulnis' Seuche, der erneut sein kräftiges Gesangsorgan unter Beweis stellte.
Wie auch auf CD war die Musik der Band erdrückend und packend. Der Sound der Drums war druckhaft und wirklich gut, allerdings war er über weite Strecken einfach zu laut und übertonte damit oft die Gitarren. Da es kaum Bands gibt, die die Gitarre derart ausdrucksstark einsetzen und damit derart viele Emotionen transportieren, war das natürlich sehr schade. Nach etwas über einer Stunde war das Konzert dann gegen 22:30 Uhr beendet, nach einem starken Finale kamen Harariki for the Sky trotz einiger Zugabe-Rufe nicht mehr auf die Bühne.
Insgesamt war es ein mehr als gelunger Tourauftakt mit drei tollen Auftritten starker Bands.