Gleich im ersten Stück „A Dawn Beneath Titanium Clouds“ enthüllt die Combo eine große Neuerung im Vergleich zum ersten Album: Es ertönen zwei Stimmen! Während durch den Zwiegesang von Stamm-Sänger L. und Gast I. - mal im Wechsel, mal im Duett - eine große Variation in die Songs kommt, muss man vor allem auch vor dem spannend konzipierten Aufbau der Songs und deren Komposition den Hut ziehen. Das zeigt sich bereits von Anfang an und zieht sich durch die gesamte Platte. Die Harmonie zwischen Klargesang, pointiert gesetzten, hohen Screams und zünftigen Growls wird so zum Aspekt, der Stücken wie „Straight to the Ninth“ und dem Opener wahre Schlagkraft verleiht. Der immense Ideenreichtum der sich trotz ihrer anfänglichen Ungleichheit ergänzenden Doppel-Spitze am Mikro ist beeindruckend. So bleiben vor allem der „One way to despondency“-Fanal im Eröffnungsstück sowie der klagende „Vergiss den Anker“-Schrei im vorab veröffentlichten „Neues Land“ im Gedächtnis. Die Liste an Gänsehaut-Stellen aus diesem Album könnte man aber noch ewig fortsetzen.
Wer Hallig in den letzten Jahren live verfolgt hat, dem dürften zwei Stücke auf der Scheibe wohl nicht gänzlich fremd sein. Die beiden Stücke „To Walk With Giants“ und „Im Aufwärtsfall“, die bereits bei einigen Auftritten zum Besten gegeben wurden, stehen in dieser Album-Aufnahme in voller Blüte und konnten sogar noch veredelt wurden. Hier wird auch nochmals klar, dass man sich als Band auf keinen Fall auf nur eine Sprache festlegen muss. Hallig schaffen es mit Leichtigkeit, mal auf Deutsch und mal im Angelsächsischen, mit Sprachbildern, hermetischer Lyrik und ohne klischeebehaftete Plattitüden zu begeistern.
In etwas mehr als einer Stunde bekommt man mit der neuen Platte eigentlich alles, was man sich schon vor sechs Jahren als Nachfolger für das starke Album „13 Keys to Lunacy“ gewünscht hat: Dichten, satten Sound, konsequentes Weiterführen der bereits mit dem Debüt geschaffenen Mystik durch die verschleierten und nicht gleich durchschaubaren Lyrics und noch eine Schippe Kreativität oben drauf, von der auch damals schon genug im Ofen loderte. Hier gilt also wie so oft: was lange währt, wird endlich gut. Vornehmlich auch deshalb, weil Althergebrachtes aus dem Black Metal-Genre hier nicht einfach nur Pate steht, sondern eben gradlinig weitergedacht wird und nicht zu einem Gerüst oder einer Staubschicht verkommt. Auch ein auf den ersten Blick eingestreutes Instrumental mit „Into Infinity“ hat da bei genauerer Betrachtung seinen durchdachten und bewusst platzierten Stellenwert, der die Atmosphäre des Gesamtwerks noch einmal auf ein neues Level hebt. Was Drummer J.P., die Gitarristen F. und A. und Bassist M. hier zusammengeschustert haben, ist bei jedem einzelnen Stück der Wahnsinn.
Hallig scheinen sich vom unbekannten Geheimtipp-Status langsam aber sicher zu einem extrem vielversprechenden Eintrag im deutschen Black Metal-Aufgebot zu entwickeln. Spätestens mit diesem Album machen die Jungs hier gehörig auf sich aufmerksam: Eine breitgefächerte, vielschichtige Odyssee, die mit einiger Power eine Gratwanderung versucht zwischen einer fragilen, aberwitzigen Demontage des menschlichen Geists und einem aggressiven, energischen Aufruf, sich als Individuum nicht unterkriegen zu lassen. Hier wurde ein im Kern sehr emotionales und vielleicht sogar persönliches Manifest in Stein geschlagen, detailverliebt und definitiv hörens- und erlebenswert. Vor allem schaffen Hallig das, ohne ihre Härte einzubüßen oder in neumodische Post Metal-Schären abzudriften.
Trackliste:
1 |
- A Dawn Beneath Titanium Clouds |
2 |
- Neues Land |
3 |
- Trümmer |
4 |
- Straight to the Ninth |
5 |
- To Walk With Giants |
6 |
- Im Aufwärtsfall |
7 |
- Into Infinity |
8 |
- From Ashes All Blooms |
9 |
- The Starless Dark |
10 |
- A Distant Reflection Of The Void |
Bewertung:
9 von 10 Punkten