Ich hatte mich vorher kaum über das Festival informiert und begab mich vor Ort in die Hände von Siim bzw. dem Black Magic Estonia Club, der sich bereiterklärt hatte, mich aufzunehmen. Nach der Verabschiedung von Kairit bzw. der Mitfahrer fand ich mein Zelt bereits aufgebaut und mit einem Feldbett versehen (das leider viel zu groß für das Zelt war). Da ich weitaus schlimmeres kannte, hatte die Aussicht auf das zweimalige Übernachten auf dem Boden wenig Einfluss auf meine inzwischen ausgezeichnete Laune und ich ging zuerst das Camp und die Stages begutachten sowie die bekannten Gesichter begrüßen. Hier wurde auch direkt der erste große Unterschied zu größeren Festivals in Deutschland sichtbar, das auch gleichzeitig den größten Vorteil bedeutete: Stellt euch einfach das Summerbreeze vor, nur mit einem Bruchteil der Leute, kaum Festivaltouristen und einer Infrastruktur, die der Beschreibung „Overkill“ noch schmeicheln würde.
Mit einer Besucherzahl zwischen zwei und dreitausend Leuten würde das HRL hierzulande als klein gelten – ist in Estland aber wie erwähnt das größte Metal-Festival und so war es dann auch aufgebaut. Zwei Stages, eine Main und eine Side-Stage, ein großzügig konzipierter Campground (der allerdings von den Autos getrennt war) ein Volleyball bzw. Sportfeld, auf dem später eine Art Wikingerolympiade ausgetragen wurde sowie eine Tischtennisplatte mitten auf der Wiese. Eine weitere Besonderheit ist die „Aerobicstunde“ die traditionell Samstag Morgens von einer Tanztruppe durchgeführt wird, an der jeder betrunkene Metalhead zu harter Musik teilnehmen oder zusehen kann – Köstlich!
Während man bei besagten Besucherzahlen in Deutschland vielleicht mit ein oder zwei Pizzabuden, dem obligaten Crepestand und einer Grillhütte sowie einem oder zwei Bierpilzen aufwarten würde, gab es dort einen Overload an Fressständen, die qualitativ hochwertiges lokales und vor allem gesundes Essen anboten. Dazu kamen Kaffeestände, ein Mix aus Subway- und Burgerbude sowie eine Shishabar und nahe der Mainstage eine „Human-Slingshot“ Attraktion. Die einzigen Gemeinsamkeiten waren (zumindest beim Essen) die Preise, die durchaus moderat europäisch zu nennen wären – Wenn denn die Qualität nicht so überragend gewesen wäre und daher das Preis-Leistungsverhältnis sehr positiv beeinflusste. Bierfreunde wären hier definitiv im Paradies gewesen, gab es Bier doch zwischen zwei und drei Euro in Dosen als Pinte bzw. Imperial Pint mit 568ml der estnischen Marken A.Le. Coque (hihi), Karl Friedrich oder Saku sowie diverse Cider und Longdrinks für genauso annehmbare Preise.
Während die Infrastruktur bei Starkregen auf den Wiesen und Wegen bei Festivals grundsätzlich leidet, feiert man vor allem vor der Wald bzw. der Sidestage nach einigem Regen in einer Schlammhölle. Vorteilhaft ist hier wiederum die geringe Besucherzahl, die den Boden nicht zu schlimm aufreißt. So war man mit Springer- bzw. Gummistiefeln immer auf der sicheren Seite und konnte auf den Laufwegen noch relativ unbeschadet über Grasflecken navigieren.
Als weitere Besonderheit wäre noch zu erwähnen, dass das HRL an zwei Seiten vom kleinen Fluss „Vigala“ eingerahmt wird, der bei gutem Wetter wohl zum Baden einladen würde. Der kleine Badeabschnitt wird jedenfalls das ganze Festival über von einem Securitymitarbeiter bewacht, der abgestellt wurde um die alkoholinduzierten Unfälle zu reduzieren. Ich wurde im Vorfeld auch gewarnt, dass besagter Fluss bei wärmeren Wetter auch als Brutstätte diverser „Flugparasiten“ dienen würde, allerdings konnte ich das Autan im Koffer lassen, da es diesen wohl zu kalt und zu windig war und ich somit komplett verschont blieb.
Die Bandauswahl ist natürlich sehr auf die estnische Szene geprägt, schafft es aber trotzdem auch immer wieder internationale Top-Acts auf die Bretter zu stellen. So waren in der Vergangenheit neben estnischen Bands wie Tharaphita, Manatark, Sorts, Süngehel, Thou Shell Of Death und Loits auch Bands wie Shining, Endstille, Caliban, Behemoth oder Marduk vor Ort zu finden. Während die Genre zwar grundsätzlich der härteren Gangart angehören schwenkt man aber doch auch immer mal wieder in Richtung Rock oder „Alternative“, was das Festival einer breiten Fangemeinde öffnet. Als Ausländer bzw. Deutscher genießt man dort auf jeden Fall besondere Aufmerksamkeit und nachdem sich herumgesprochen hatte, dass „Auch ein Deutscher“ auf dem Festival sei, wurde mir die örtliche Übersetzerin zugeführt, die sich mehr als glücklich zeigte ihr bereits perfektes Deutsch einzusetzen.
Nach zwei kühlen (aber nicht kalten) Nächten, einem verregneten Freitag und stabilen Samstag, Bands wie Loits, Süngehel, Arcturus, Tankist, Hate und Condescension sowie der Teilnahme am Finale der Wikingerolympiade, wurde ich am Sonntag von Mitgliedern des BME zum Flughafen gefahren und trat die Rückreise an.
Fazit:
Das Hard Rock Laager ist etwas für jeden, der sich die Zeiten eines frühen Summerbreeze (Abtsgmünd) zurückwünscht und dabei eine große Bandauswahl und eine gute Infrastruktur zu moderaten Preisen schätzt. Man kommt dort sehr schnell mit den Esten und anderen Balten ins Gespräch, die weitaus kommunikativer sind als der „gemeine“ Skandinavier.
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Hardrock Laager HP:
Pictures: Muumi Photography